Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) und die letzte DDR-Parlamentspräsidentin Sabine Bergmann-Pohl (CDU) haben an die ersten und zugleich letzten freien Volkskammerwahlen in der DDR vor 35 Jahren erinnert. Bas würdigte am Dienstag im Bundestag die am 18. März 1990 gewählte DDR-Volkskammer als Vorbild für die Demokratie heute. Die demokratische Euphorie von 1990 sollte heute weitergeführt werden. Bergmann-Pohl sprach von einem „Arbeitsparlament“, das innerhalb eines halben Jahres unter anderem 164 Gesetze verabschiedete und 93 Beschlüsse fasste. „Die letzte Volkskammer war ein ungeheuer fleißiges Parlament“, sagte die CDU-Politikerin der linken Berliner Tageszeitung „nd“ (Dienstag).
Die Wahlbeteiligung lag am 18. März 1990 bei 93,4 Prozent. Als Sieger ging die „Allianz für Deutschland“ aus Ost-CDU, Deutscher Sozialer Union (DSU) und Demokratischem Aufbruch (DA) hervor. Sie errang mehr als 48 Prozent der Stimmen. Die in Umfragen favorisierte Ost-SPD kam mit 21,9 Prozent auf Platz zwei. Die SED-Nachfolgepartei PDS erhielt 16,4 Prozent. Das Bündnis 90 aus der früheren Bürgerrechtsbewegung erzielte nur 2,9 Prozent.
Bas sagte vor Eröffnung der Bundestagsplenarsitzung am historischen Jahrestag, die damalige Euphorie „sollte uns eine Inspiration sein für all die Herausforderungen, die heute vor uns liegen“. Mit Blick auf den 18. März 1990 sagte sie, Menschen ließen sich für die Demokratie begeistern und „fürs Mitmachen gewinnen“: „Wie damals müssen wir sachliche Debatten führen, unrealistischen Erwartungen entgegentreten und kluge Beschlüsse fassen.“ Auf der Zuschauertribüne des Bundestages hatte Bas zuvor die 78-jährige Bergmann-Pohl begrüßt.
Weiter sagte die SPD-Politikerin, mit dem Aufbruch in die Demokratie seien 1990 viele Hoffnungen verbunden gewesen: „Nicht alle wurden erfüllt.“ Der wirtschaftliche Umbruch habe viele Menschen hart getroffen. „Gewohnte Sicherheiten zerbrachen. Existenzängste bestimmten den Alltag.“ Bei manchen sei zudem das Gefühl hinzugekommen, „nicht gehört zu werden“. Dies wirke bis heute nach.
Bergmann-Pohl erinnerte sich in dem Zeitungsinterview, es sei in der neu zusammengesetzten Volkskammer „teilweise chaotisch“ zugegangen: „Vorher hatte die Volkskammer maximal zwei- bis dreimal im Jahr getagt, dann sind alle Abgeordneten wieder nach Hause gefahren. Jetzt war das ganz anders. Es war vieles provisorisch, es war vieles spontan.“
Das DDR-Parlament habe Arbeitsbedingungen gehabt, die man sich heute nicht mehr vorstellen könne: „Wir hatten keine eigenen Sitzungsräume, keine Telefone, keine Wohnungen für die Abgeordneten aus der Republik.“ Und dann habe das Parlament noch mal umziehen müssen, „aus dem 'Palast der Republik' raus, weil dieser angeblich asbestverseucht war“, sagte Bergmann-Pohl.
Die Brandenburger FDP-Politikerin Linda Teuteberg nannte die erste freie und geheime Wahl zur Volkskammer nach 40 Jahren SED-Diktatur einen „Akt demokratischer Selbstermächtigung“. Es habe sich damals um ein klares Votum für den schnellen Weg in die Deutsche Einheit gehandelt, schrieb Teuteberg auf X.