Die Görlitzer Sammlungen zeigen von Samstag an eine Ausstellung zur NS-Zeit in der ostsächsischen Stadt. Unter dem Titel „Nationalsozialismus in Görlitz - 80 Jahre Kriegsende“ werde ein bisher nahezu unbearbeitetes Kapitel der Stadtgeschichte in den Blick genommen, sagte der Direktor der Görlitzer Sammlungen, Jasper von Richthofen, dem Evangelischer Pressedienst (epd). Im Fokus stehen Alltagserfahrungen der Görlitzerinnen und Görlitzer zwischen 1933 und 1945. NS-Geschichte wird anhand von 19 Biografien erzählt.
„Uns ging es um ganz persönliche Geschichten der Stadtbevölkerung, nicht um eine Gegenüberstellung von Tätern und Opfern“, sagte von Richthofen. Gefragt werde auch, wie es dazu kommen konnte, dass die Demokratie freiwillig aus der Hand gegeben wurde. „Wir möchten vor allem die Grautöne erzählen und das alltägliche Handeln der Einwohner unserer Stadt“, sagte der Museumsdirektor. Fotografien, Dokumente und Tagebücher veranschaulichten, wie verschieden Görlitzerinnen und Görlitzer die NS-Zeit erlebten.
Die Folgen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs prägen die Stadt Görlitz bis heute wie kaum eine andere. Seit 1945 trennt die Neiße als Grenzfluss die ostsächsische Stadt in einen deutschen und einen polnischen Teil.
Mit der Görlitzer Ausstellung, die im Kaisertrutz zu sehen ist, werde die Geschichte des Nationalsozialismus in Deutschland nicht neu geschrieben, sagte der Museumsdirektor. Dennoch sei die Zeit für eine solche Ausstellung überreif. Es sei in der Gegenwart zu beobachten, „dass versucht wird, NS-Sprache, NS-Zeichen und NS-Ideologie wieder salonfähig zu machen“. Dies sei ein Alarmzeichen.
„Es gibt nach unserer Wahrnehmung ein Bildungsproblem“, sagte von Richthofen. Als Museum und Bildungseinrichtung wollten die Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur mit Fakten „Abhilfe schaffen“. Die Ausstellung zeige auch, „dass die Demokratie ein hohes Gut ist, für das es sich zu kämpfen lohnt“.
In der Görlitzer Erinnerungskultur sieht von Richthofen „noch Luft nach oben“. Es gelte, Ereignisse ins Bewusstsein der Bevölkerung zurückzuholen, etwa NS-Krankenmorde, ein Konzentrationslager mitten in der Stadt Görlitz oder Zwangsarbeit.
Ein Teil der Ausstellung widmet sich zudem der Vertreibung und Ermordung von Görlitzer Jüdinnen und Juden sowie der Verwicklung evangelischer Theologen in die NS-Ideologie. „Ich erhoffe mir schon, dass wir Menschen zum Nachdenken anregen, auch solche, die leichtfertig mit dem Thema umgehen“, sagte der Museumschef.