Die Arktis erwärmt sich einer Studie zufolge viermal schneller als der Rest des Planeten und wird im Jahr 2100 kaum noch wiederzuerkennen sein. Weltweit würden die Temperaturen bis dahin im Schnitt um 2,7 Grad steigen, selbst wenn alle Staaten ihre zugesagten Klimaziele einhielten, informierte die Universität Hamburg am Freitag. Welche Folgen das habe, zeigten Dirk Notz vom Exzellenzcluster Climate, Climatic Change and Society an der Universität Hamburg und Julienne Stroeve vom National Snow and Ice Data Center in Colorado (USA) in einer Studie, die im Fachjournal „Science“ erschienen sei.
Die Forschenden verknüpften den Angaben zufolge Simulationen von Klimamodellen mit Messdaten von Satelliten. Sie untersuchten so die Entwicklung des arktischen Meereises, des Grönländischen Eisschilds und des Permafrosts von der vor-industriellen Zeit über den heutigen Zustand bis hin zu einem Szenario für das Jahr 2100 mit 2,7 Grad Celsius weltweiter Temperaturerhöhung. „Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass der Mensch schon heute die Macht hat, ganze Landschaften von der Oberfläche unseres Planeten zu tilgen“, sagte Notz. Denn bei einer Erwärmung von 2,7 Grad Celsius werde das jetzt noch von Meereis bedeckte Nordpolarmeer im Sommer monatelang eisfrei sein - so wie zuletzt vor rund 130.000 Jahren.
Schmelzende Gletscher in Grönland würden 20 Zentimeter zum Anstieg des globalen Meeresspiegels beitragen, informierte die Uni. An Land würde die Hälfte der dauerhaft gefrorenen Böden getaut sein. Dadurch würde zusätzliches Kohlendioxid freigesetzt und der Boden für Häuser, Straßen und Brücken instabil.
Aufgrund der im Vergleich zum Rest des Planeten viermal schnelleren Erwärmung der Arktis gilt laut Stroeve: „Bei durchschnittlich 2,7 Grad Celsius globaler Erwärmung weltweit werden wir in dieser Region besonders extreme Auswirkungen haben.“
Die Folgen der fortschreitenden Erwärmung seien für das Ökosystem und die dort lebenden Menschen drastisch, so die Studie. Arktische Fische und Plankton seien nicht an das Leben im wärmeren, helleren Wasser angepasst, die entsprechenden Bestände würden voraussichtlich schrumpfen. Eisbären und manche Seevogelarten könnten zumindest regional aussterben. Das Meereis werde nicht mehr befahrbar sein, Jagd- und Transportwege für indigene Gemeinschaften fielen weg. Der Anstieg des Meeresspiegels erhöhe das Risiko für Küstenerosion, Überflutungen und den Salzwassereintrag in Süßwasserreservoirs.
„Wir haben noch nicht einmal das extremste Szenario untersucht. 2,7 Grad Erwärmung bekommen wir, wenn alle Staaten ihre vereinbarten Klimaziele erfüllen - was nicht garantiert ist“, betonte Notz. „Wir verändern den Planeten radikal und sollten uns unserer Macht und Verantwortung deutlich bewusst sein. Die Arktis ist nur ein Beispiel, tatsächlich liegt die Zukunft des gesamten Planeten in unseren Händen.“