Sozialverband fordert besseres Angebot für Obdachlose
Hamburg (epd).

Der Sozialverband in Hamburg kritisiert erneut das städtische Winternotprogramm für Obdachlose und fordert eine Öffnung der Übernachtungsplätze auch bei Tage. „Viele Menschen, die obdachlos sind, haben kein Anrecht auf Leistungen der Stadt. Es gebietet die Menschlichkeit, auch ihnen mehr Orte anzubieten, an denen sie sich wenigstens aufwärmen können und etwas zu Essen erhalten“, erklärte Klaus Wicher, Chef des Hamburger Landesverbands des Sozialverbands Deutschland (SoVD), anlässlich winterlicher Temperaturen und der Zahlen aus dem Wohnungslosenbericht 2024 der Bundesregierung, wie der SoVD Hamburg am Dienstag mitteilte.

Wicher geht davon aus, dass mindestens 5.000 Menschen in Hamburg auf der Straße leben. „Nachts stehen in den verschiedenen Anlaufstellen für Obdachlose etwas mehr als 1.000 Betten bereit. Es ist also eindeutig klar, dass es im Winternotprogramm viel zu wenig Übernachtungsplätze gibt“, sagte er. Laut Wohnungsbericht 2024 gab es im vergangenen Jahr 3.787 obdachlos lebende Menschen in Hamburg.

Die Gründe für Obdachlosigkeit seien vielfältig, sagte Wicher. Als Beispiele nannte er Drogensucht, Gewalt in Familie und Beziehung, Lebenskrisen, psychische Erkrankungen und bei vielen Menschen aus Osteuropa „nackte Armut“. Gerade Menschen aus Rumänien, Bulgarien oder Polen würden von der Großstadt angelockt mit der Hoffnung auf bessere Zeiten, seien aber am härtesten mit dem Leben hier konfrontiert. „Diese Menschen sind komplett auf sich selbst gestellt. Sie verelenden zusehends auf der Straße und sind gesundheitlich schlecht aufgestellt“, sagte Wicher. „Hamburg als reiche Stadt darf das nicht zulassen. Wenigstens niedrigschwellig muss es auch für diese Menschen Hilfe geben.“

Wärmestuben und Übernachtungsplätze im Winter seien nicht die Lösung, müssten aber sein. „So lange die Verhältnisse in den Herkunftsländern prekär bleiben, werden nach wie vor Menschen von dort zu uns kommen“, sagte Wicher. „Vor dieser Tatsache kann die Stadt nicht die Augen verschließen, sondern muss reagieren.“ Er sei „der festen Überzeugung, dass vor allem Housing First sehr erfolgreich dabei hilft, neue Strukturen und Perspektiven zu entwickeln“. Gerade jüngere Menschen, die schon in der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht waren, liefen verstärkt Gefahr, als junge Erwachsene auf der Straße zu landen, so Wicher. „Dies könnte Housing First verhindern. Dieser Ansatz muss bedarfsdeckend schnell weiter ausgebaut werden.“

Bei dem auf drei Jahre angelegten Housing-First-Modellprojekt in Hamburg werden langzeitobdachlos auf der Straße lebende Menschen, die über einen Leistungsanspruch verfügen, in Wohnraum vermittelt. Mithilfe begleitender Unterstützungsangebote und Beratung sollen die Betroffenen sowohl in ihren Lebenslagen stabilisiert als auch in die Lage versetzt werden, ein langfristiges Mietverhältnis aufzunehmen und aufrechtzuerhalten. Das Modellprojekt wird derzeit von einem Trägerverbund, bestehend aus dem Diakonischen Werk Hamburg, der Benno und Inge Behrens-Stiftung und dem Kirchenkreis Hamburg-Ost, in Zusammenarbeit mit Wohnungsunternehmen, Vermieterinnen und Vermietern realisiert. Es endet planmäßig am 30. Juni dieses Jahres. Aus der Sozialbehörde hieß es im November vergangenen Jahres, eine Verstetigung des Konzepts werde vorbereitet.