Als erste Kommune in Mecklenburg-Vorpommern will Rostock mit einem vierjährigen Modellprojekt den sogenannten Housing-First-Ansatz erproben und damit Wohnungslosigkeit dauerhaft beenden. Sozialministerin Stefanie Drese (SPD) sehe in diesem Paradigmenwechsel im Umgang mit Obdachlosigkeit eine echte Chance zur sozialen Integration, teilte das Schweriner Sozialministerium am Freitag zum Start des Modellprojekts mit. „Anstatt von den Betroffenen zu erwarten, erst komplizierte bürokratische und oft entwürdigende Hürden zu überwinden, setzt Housing First auf eine einfache, aber effektive Idee: Wohnung zuerst“, sagte Drese. Wenn weitere Hilfe notwendig ist, werde diese angeboten.
„Eine eigene Wohnung ist somit nicht der Endpunkt, sondern der Ausgangspunkt für ein selbstbestimmtes Leben“, sagte die Ministerin. „Das ist mehr als nur eine pragmatische Lösung für Obdachlosigkeit. Es ist ein Akt der Würde und Anerkennung, der den Betroffenen signalisiert: Du gehörst dazu.“
Housing First ist ein in den USA entwickelter sozialpolitischer Ansatz beim Umgang mit Obdachlosigkeit. Er ist den Angaben zufolge eine Alternative zum herkömmlichen System von Notunterkünften und vorübergehender Unterbringung. Seit einigen Jahren wird der Ansatz „Zuerst ein Zuhause“ auch in Deutschland, Großbritannien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Portugal und Österreich umgesetzt.
„Studien zeigen beeindruckende Erfolge, da in vielen Fällen die Wohnungslosigkeit dauerhaft beendet werden kann. Es hilft den Betroffenen, sich nachhaltig aus ihrer Notlage zu befreien, ohne dabei bevormundend zu agieren“, sagte Drese. Das Rostocker Modellprojekt „Moins - Menschen vor Obdachlosigkeit intelligent schützen“ solle zu einer langfristigen Lösung für Obdachlosigkeit beitragen und das bestehende Hilfesystem ergänzen.
Die Stadtverwaltung Rostock hatte bereits Ende September mitgeteilt, dass das Modellprojekt mit 2,5 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds unterstützt wird. In Rostock leben nach aktuellen Schätzungen derzeit etwa 60 bis 80 obdachlose und knapp 300 wohnungslose Menschen, hieß es damals von der Kommune. 2023 nahmen insgesamt 597 Menschen die Wohnungslosennotfallhilfe in Anspruch. Hinzu kämen Obdachlose, die Hilfsangebote ablehnen sowie die „nicht sichtbaren Obdachlosen“, die im Stadtbild untertauchen oder temporär bei Freunden und Familie wohnen.