
Ada Lessing, Paula Modersohn-Becker, Sara Oppenheimer und viele mehr: 50 Frauenorte in Niedersachsen würdigen besondere Frauen der Zeitgeschichte. „Es gibt viele spannende Frauenbiografien“, sagt Projektkoordinatorin Anke Weisbrich im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) anlässlich des Weltfrauentages am 8. März: „Eine Vielzahl von Frauen hat einen wichtigen Betrag für die Gesellschaft geleistet.“ Weisbrich gehört dem niedersächsischen Landesfrauenrat an. Frauenorte gibt es auch in sechs weiteren Bundesländern, darunter Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen.
epd: Frau Weisbrich, was muss eine Frau geleistet haben, um mit einem Frauenort gewürdigt zu werden und was ist das Ziel der Frauenorte?
Anke Weisbrich: Die Frau muss ein positives Beispiel für die Emanzipation gewesen sein, ein Vorbild für Gleichberechtigung. Es geht um Frauen, die aus ihrer gesellschaftlichen Rolle herausgetreten sind und sich für persönliche Freiheitsrechte oder allgemeine Frauenrechte eingesetzt haben. Häufig wurden sie aus den Geschichtsbüchern ausradiert und vergessen. Wir wollen die Frauen sichtbar machen. Diese Sichtbarkeit spielt auch heute eine wichtige Rolle. Noch immer verdienen Frauen in einigen Bereichen wie Sport, Wissenschaft oder Kunst und Kultur weniger Geld bei gleichwertiger Arbeit. Dieser Gap ist noch nicht überwunden.
epd: Was sind die Kriterien für einen Frauenort?
Weisbrich: Die Frau muss in Niedersachsen geboren worden sein oder den Schwerpunkt ihres Wirkens gehabt haben. Unsere Kooperationspartner vor Ort kommen mit Vorschlägen auf uns zu. Das können Museen, Heimatvereine, Initiativen, Gleichstellungsbeauftragte, Tourismusabteilungen des jeweiligen Ortes oder auch Privatpersonen sein. Für das Leben und Wirken der Frau muss es Quellen geben. Außerdem sollte der Frauenort zukünftig in den Kulturtourismus eingebunden werden, zum Beispiel durch einen Ortsrundgang, Veranstaltungen oder Radtouren. Es kann auch eine Leseecke in der Stadtbücherei oder ein Ausstellungsteil im Museum sein.
epd: Wer ist die bedeutendste historische Frau in Niedersachsen?
Weisbrich: Da möchte ich ungerne eine Frau herausstellen. Doch um ein paar Frauen zu nennen: Die Fabrikarbeiterin Ruth Müller (1922-2008) aus Delmenhorst setzte sich dafür ein, dass Frauen aus der sogenannten Frauenlohngruppe herauskommen und gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen. Ebenfalls für Frauenrechte setzte sich die Juristin Anita Augspurg (1857-1943) ein, die das Frauenwahlrecht durch Petitionen im Reichstag vorangebracht hat, sodass Frauen ab 1918 wählen durften. Und es gab Frauen, die sich ihre persönlichen Rechte erkämpften, wie Hermine Overbeck-Rothe (1869-1937), die schon als junge Frau Malerin werden wollte, sich mit ihrem Verdienst als Krankenschwester Malkurse finanzierte und später die Damenakademie in München besucht hat.