Im National Museum of Qatar gibt es schon einen. Und im Kunsthaus Zürich ebenso wie im Ekebergparken in Oslo und im Museum of Fine Arts in Houston. Jetzt kann das Publikum auch in Deutschland durch einen „Pixelwald“ wandern, den die Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist geschaffen hat. Die Bremer Kunsthalle reiht sich ein und hat eine der Audio-Video-Installationen angekauft, die dem Publikum eine besondere Raumerfahrung beschert. Sie ist mit Poesie verbunden, mit Staunen und Glücksgefühlen. Kurz gesagt: Kunst, die Spaß macht.
Auch wenn Pipilotti Rist mit ihrer Arbeit auf Abstraktion als weltumspannende Sprache der Kunst setzt - ein wenig Lokalpatriotismus muss sein. So hat sie dem Projekt in Bremen den Begriff „Wisera“ beigefügt, was althochdeutsch für „Weser“ und damit für den Fluss steht, an dessen Ufer sich nun Deutschlands erster Pixelwald befindet. Den wiederum bezeichnet Kunsthallen-Direktor Christoph Grunenberg bei einer Präsentation am Mittwoch als „Statement“ für eine Kunst, die in die Zukunft schaut.
Pipilotti Rist hat sich mit ihrer Videokunst schon lange vom zweidimensionalen Bildschirm gelöst, ihre Projektionen zeigen das. Mit ihren Pixelwäldern geht sie einen Schritt weiter. „Wir treten in das dreidimensionale Bild ein“, bringt es Christoph Grunenberg auf den Punkt. Deshalb ist die Arbeit als neuer Teil der Dauerausstellung im Haus auch nicht einfach nur eine Lichtinstallation. Das Publikum ist ab Donnerstag quasi Teil eines Videos, ist mittendrin.
Die Videokünstlerin hat aus ihrem Fundus bewegte Bilder von Landschaften und Makros zusammengeschnitten. In Bremen werden sie auf 160 Quadratmetern in zwei miteinander verbundenen Sälen durch fast 3.000 von der Decke hängende LED-Lichter inszeniert. Eine recht grobe Auflösung eines Videos, durch die das Publikum aber leibhaftig wandern kann. Die Lichter sind in handgemachte Kunststoff-Formen eingefasst, die an Stalaktiten oder Kristalle erinnern. Könnte man von der Installation zurücktreten, 100 oder vielleicht 200 Meter, würde man konkrete Bilder sehen, sagt Pipilotti Rist.
In einer Schleife von gut 20 Minuten läuft das Video, eingerahmt durch schwarze Wände und schwarze Hochglanz-Keramikplatten. So spiegeln sich auf dem Boden die Lichter, das Raumgefühl weitet sich ins Unendliche. Begleitet wird die Szenerie durch Musikkompositionen, auf die das Video exakt zugeschnitten ist: „I want to see how you see“ (Ich möchte sehen, wie du siehst) heißt die erste Sequenz, vier Minuten und 45 Sekunden lang. Die folgende knapp siebenminütige Tonspur „Unendlich dankbar und aufgeräumt“ verstärkt die chillige Atmosphäre im Raum, die dann unter anderem durch eine Klavierimprovisation fortgeführt wird.
So entsteht ein Wald, wie es keinen anderen gibt. Leuchtende Poesie, eine blinkende Wunderwelt, durch die sich das Publikum langsam auf zwei Hauptwegen schlängelt. „Für den Pixelwald“, sagt Pipilotti Rist, „habe ich mir vorgestellt, dass die Pixel, die normalerweise ein flach angeordnetes Video ergeben, im dreidimensionalen Raum explodieren und wir so gemeinsam in, vor, durch und hinter das Bild laufen können.“ Die Künstlerin ist überzeugt: „Dieses Konzept versöhnt uns Menschen und das Weltall mit den allgegenwärtigen, eindimensionalen Bildschirmen.“
Hört sich groß an. Ob das funktioniert? Auf jeden Fall begegneten sich im Pixelwald Mensch und Technik, sagt Pipilotti Rist und bekräftigt: „Mich interessiert das als Einheit.“ Und Kunsthallen-Direktor Christoph Grunenberg schwärmt, die Arbeit hebe die Videokunst auf eine neue Stufe.
Alles andere müssen die Gäste wohl selber ausprobieren. Pipilotti Rist erzählt in diesem Zusammengang von einer Ärztin für Psychiatrie aus Zürich, die ihre schwer depressive Patientin in den Pixelwald geschickt hat. Danach habe die Frau berichtet, bei ihrem Besuch habe sie „erstmals seit einem Jahr eine Ahnung von Glück gehabt“.