Mithilfe von „Virtueller Realität“ will das Niedersächsische Landesmuseum in Hannover von Mittwoch an seinen Gästen die Geschichte von Überlebenden des Holocaust nahebringen. Dafür müssen sich die Besucherinnen und Besucher in einer Ausstellung eine VR-Brille und Kopfhörer aufsetzen, wie das Museum am Dienstag mitteilte. Das Projekt „In Echt? Virtuelle Begegnung mit NS-Zeitzeuginnen und Zeitzeugen“ läuft bis zum 2. Februar. Es ist Teil der schon länger laufenden Ausstellung „KZ überlebt“ mit mehr als 60 Schwarz-Weiß-Fotografien von Holocaust-Überlebenden.
„Wir haben uns überlegt, wie wir diese zweidimensionale Darstellung noch einmal in eine andere Medienwelt übertragen können“, sagte Museumsleiterin Katja Lembke. Es gehe darum, die Schilderungen noch interessanter und vor allem für junge Leute noch spannender zu machen.
Die VR-Brille sieht aus wie eine große Taucherbrille und spielt Aufnahmen mit Erzählungen von insgesamt fünf heute hochbetagten Überlebenden ein. Den Nutzern stehen die NS-Zeitzeugen damit lebendig vor Augen, und sie haben das Gefühl, ihnen auf diese Weise persönlich zu begegnen. „Das VR-Erlebnis biete einen empathischen, individuellen und emotionalen Zugang zur NS-Geschichte“, erläuterte das Museum. „Die letzten Überlebenden werden nicht müde, ihre Erinnerungen mit den nachfolgenden Generationen zu teilen.“
Entwickelt wurde das Projekt von 2022 bis 2024 vom Brandenburg Museum für Zukunft, Gegenwart und Geschichte in Potsdam in Kooperation mit der Filmuniversität Babelsberg. Nach dem Gastspiel in Hannover will es ab Mai mit einem Truck auf Deutschland-Tournee auch acht bis zehn Bundesländer gehen.
Das Brandenburger VR-Projekt sei das bundesweit erste seiner Art für Museen in Deutschland, erläuterte Projektleiterin Johanna Schüller vom Brandenburg Museum. Hintergrund sei die Tatsache, dass die Zahl der Zeitzeugen, die noch aus eigener Anschauung vom Holocaust berichten könnten, immer stärker zurückgehe.
Nach einer Studie der Jewish Claims Conference aus dem Jahr 2024 lebten im vergangenen Jahr weltweit noch rund 245.000 Überlebende des Holocaust, davon knapp die Hälfte in Israel. Ein großer Teil von ihnen sei über 90 Jahre alt. In Deutschland lebten rund 14.000 Überlebende. Insgesamt ermordeten die Nationalsozialisten im Holocaust rund sechs Millionen Juden und Angehörige weiterer Minderheiten.