Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach Fußballvereine zu Gebühren für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen herangezogen werden dürfen, ist auf ein unterschiedliches Echo gestoßen. Während Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) den Richterspruch begrüßte, kam vom SV Werder Bremen und von Fanverbänden deutliche Kritik.
Das Gericht hatte am Dienstag entschieden, dass Fußballvereine für Polizeieinsätze bei sogenannten Hochrisikospielen zur Kasse gebeten werden können. Eine von den Vereinen zu zahlende Gebühr für den Mehraufwand der Polizei sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Eine entsprechende Verfassungsbeschwerde der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH blieb erfolglos (AZ: 1 BvR 548/22).
Seit November 2014 müssen Veranstalter in Bremen bei gewinnorientierten, erfahrungsgemäß gewaltgeneigten Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen eine Gebühr für den Mehraufwand der Polizei bezahlen. Sie richtet sich nach dem Mehraufwand für die Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte. Beim Spiel der Fußball-Bundesliga zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV im Bremer Weserstadion am 19. April 2015 hatte die Polizei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Fans der rivalisierenden Vereine erwartet. Die Bremer Polizei wurde deshalb von Einsatzkräften aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Hessen und der Bundespolizei unterstützt. Dafür berechnete die Polizei Bremen dem Veranstalter Gebühren in Höhe eines mittleren sechsstelligen Eurobetrags.
Die Regelung greift zwar laut Bundesverfassungsgericht in die Berufsfreiheit der Veranstalter ein. Der Eingriff sei aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt, genüge den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit und sei auch mit dem Gleichheitsgrundsatz in der bundesdeutschen Verfassung vereinbar. Durch die Regelung würden die Mehrkosten der Polizei auf die Veranstalter abgewälzt, also dorthin, wo die Gewinne anfallen. Dadurch müssten die Kosten nicht von der Gesamtheit der Steuerzahler geschultert werden. Das sei ein legitimes Ziel.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der den Vorstoß aus Bremen maßgeblich vorangetrieben hatte, zeigte sich zufrieden mit dem Urteil: „An jedem Wochenende müssen tausende und abertausende Polizeikräfte die Spiele der Bundesliga begleiten“, sagte er. Alleine die Personalkosten dafür lägen bei über 104 Millionen Euro. Das müssten die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Steuern bezahlen. Auf der anderen Seite stehe „eine milliardenschwere Profiliga, die es sich locker leisten kann, das zu zahlen. Und dieses Ziel habe ich heute erreicht.“
Die vor Gericht unterlegene DFL verwies darauf, dass sie und die Klubs bereits finanziell und personell erheblich in die Stadionsicherheit sowie in eine umfassende Präventionsarbeit investierten. Daneben trage der Fußball mit seiner Wertschöpfung sowie Steuern und Abgaben erheblich zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben bei. Allein in der Saison 2022/23 hätten die 36 Klubs insgesamt 1,6 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben gezahlt. Gleichzeitig ließ die DFL offen, ob sie einzelne gegen vergangene Gebührenbescheide eingelegte Widersprüche aufrechterhalten werde. Bei einigen Bescheiden stehe die konkrete Anwendung der Gebührenregelung in Frage - etwa, weil zweifelhaft sei, ob die Einstufung einer Partie als so genanntes Hochrisikospiel überhaupt berechtigt war.
Für den SV Werder Bremen bedeute das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine erhebliche finanzielle Belastung und einen signifikanten Standort- und Wettbewerbsnachteil, sagte Geschäftsführer Tarek Brauer: „Wir nehmen das Urteil respektvoll zur Kenntnis, aber das ist heute kein guter Tag für Werder, die DFL und Veranstalter von Großevents in Bremen.“ „Es bleibt festzuhalten, dass nicht allein unsere Fans, sondern auch die der Gastvereine den erhöhten Personal- und Kostenaufwand verursachen und die DFL eine Mitveranstalterrolle innehat“, fügte Brauer hinzu. „Es müssen sich auch die DFL und der Gastverein an den Kosten beteiligen.“
Der Dachverband der Fanhilfen mit Sitz in Hannover bezeichnete das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als „Freifahrtschein für einen immer aggressiver und martialischer auftretenden Polizeiapparat.“ Fußballfans im ganzen Land seien bereits jetzt Woche für Woche mit massiven Polizeieinsätzen konfrontiert. Völlig unkontrolliert bestimme die Polizei dabei selbst, wie viele Einsatzkräfte sie in und um die Stadien einsetze. „Dass die daraus entstehenden Kosten nun an die Vereine weitergegeben werden können, halten wir weiterhin für völlig falsch“, betonte Linda Röttig vom Verbandsvorstand. „Sicherheit zu privatisieren, ist eine fatale Entwicklung und wird Auswirkungen auf alle Formen von Großveranstaltungen haben.“