Säen und ernten: Landvolk initiiert Agrarunterricht auf dem Bauernhof
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Säen und ernten: Landvolk initiiert Agrarunterricht auf dem Bauernhof
Grundschüler lieben das neue Fach - und packen begeistert mit an
Northeim (epd).

Der Duft von knusprigen Pommes zieht durch die Maschinenhalle von Bauer Köter. Zwischen Mähdrescher, Gabelstaplern und Anhängern voller Kartoffeln sitzen 19 Viertklässler der Regenbogenschule Höckelheim bei Northeim und lassen es sich schmecken. Rudolf Köter greift auch zu. „Lecker“, sagt der 67-jährige Landwirt und stippt einen Pommes in Ketchup: „Sie sind von der Gaststätte im Ort und natürlich aus unseren Kartoffeln gefertigt.“

Der Kartoffelhof Köter liegt in Hillerse, einem idyllischen Dörfchen, das ebenfalls zu Northeim am Rande des Harzes gehört. Die Frühherbst-Sonne scheint kräftig, Kühe grasen auf saftigen Weiden, die Kirchenglocken läuten. Köter und sein Sohn Tim (34) freuen sich über die trubelige Kinderschar auf dem Hof. Gemeinsam mit rund 30 weiteren Landwirten aus der Region beteiligen sie sich an der 2023 gestarteten „Bauernhof-AG“ für Grundschüler des Landvolks Northeim-Osterode.

„Es schön zu sehen, mit was für einer Motivation und Tatkraft die Kinder hier anpacken“, sagt Rudolf Köter. Die Entfremdung zur Landwirtschaft sei bei der jungen Generation oft groß, ergänzt Tim Köter. Etliche Kinder wüssten nicht, woher ihre Lebensmittel stammten. „Das Schulprojekt ermöglicht uns, sie an unseren Beruf heranzuführen, ihnen den Hof zu zeigen, die Natur, unsere Produkte und Arbeitsabläufe.“ Und die sind vielfältig, denn die Köters bauen nicht nur Kartoffeln an, sondern auch Raps, Rüben, Mais und Getreide.

Die Pommes-Pause haben sich die Landwirte und ihre jungen Helfer verdient. Sie haben bereits am frühen Morgen ordentlich was geschafft. Die Kartoffeln, die sie im April gepflanzt haben, haben sie transportiert, verladen, gebürstet, sortiert, abgewogen und verpackt - natürlich mit maschineller Hilfe.

Heute ist die Sorte Glorietta an der Reihe, eine von neun Sorten auf dem Hof. Die anderen, ebenfalls mit wohlklingenden Frauennamen versehen, wie Lilly, Jule, Laura, Belana, Princess, Wega, Annabella und Goldmarie, hat Rudolf Köter auf einem Tisch aufgebaut und beschriftet. Die Kinder sollen die Unterschiede kennenlernen.

„Glorietta ist festkochend“, sagt Josefina, und Charlotte ergänzt: „Nicht wie die rote Laura, die ist mehlig, die mochte ich nicht so.“ Marlene verdreht die Augen, als sei das alles nicht wichtig. „Ich mag am liebsten Kartoffelgratin, egal aus welcher Kartoffel“, sagt sie.

Der Agrarunterricht ist ein Erfolgsmodell. „Die Nachfrage ist riesig“, sagt Agrarreferentin Ann-Christin Elsner. Fünf neue Schulen im Landkreis starteten nach den Herbstferien, im zweiten Schulhalbjahr kämen 13 weitere dazu. Die Kosten belaufen sich Elsners Angaben zufolge auf rund 145.000 Euro, davon sind 90.000 Fördermittel: 80.000 von der Jugendstiftung des Landkreises, 10.000 von der KWS, einem weltweit tätigen Saatguthersteller in Einbeck.

Von dem Geld hat das Landvolk unter anderem eine pädagogische Mitarbeiterin eingestellt. Malin Bracht schätzt das Bauernhof-Projekt, weil es eine nachhaltige Wirkung bei den Kindern erziele. „Das hat keinen Eventcharakter, bei dem die Kinder nur bespaßt werden und sich passiv zurücklehnen.“ Stattdessen erlebten die Grundschüler durch ihre regelmäßige Wiederkehr auf die Höfe den Jahreszyklus. „Und weil sie mitanpacken, spüren sie Selbstwirksamkeit, das ist wichtig in dem Alter.“

Schulleiterin Henrikje Severloh nickt zustimmend. „Wenn die Kinder selbst Hand anlegen können, bleibt einfach mehr Wissen hängen“, sagt sie. Deshalb ist der Unterricht im Klassenraum ebenfalls praxisnah gestaltet. Die Kinder haben in der Schule Pflanzkartoffeln in Töpfe gesetzt, die unterschiedlichen Sorten probiert und Pellkartoffeln mit Quark gekocht. „Und schon wird das Thema gesunde Ernährung gleich mitbehandelt“, sagt Lehrerin Tanja Schellmann.

Rudolf Köter freut sich über das Interesse an seinem Beruf und darüber, dass das Landwirtschaftsprojekt bei der Klasse so gut ankommt. Viele Kinder fragten, ob sie nicht häufiger kommen und helfen könnten. „Wenn ich ihre Eltern im Dorf treffe, erzählen sie mir, dass ihre Kinder noch nie so viel von der Schule berichtet haben.“ Ein Umstand, der den gelernten Elektromaschinenbauer nicht verwundert. „Wir Landwirte haben einen Traumberuf“, sagt er lächelnd.

Von Julia Pennigsdorf (epd)