
Verfahren zum Recycling von Bauschutt gibt es viele. Doch in Kriegsgebieten, wo es an allem fehlt, sind diese oft nicht einsetzbar. Ein Bauingenieur aus Mainz hatte eine Idee, wie Trümmer mit minimalem technischen Aufwand zu neuen Bausteinen werden.
Mainz (epd). Alles begann am Kaffeetisch des Mainzer Architektenbüros, in dem Alfons Schwiderski einer der beiden Partner ist und ein junger Syrer für eine Ausbildung zum Bauzeichner eingestellt worden war. Die Situation in dem Bürgerkriegsland war immer wieder einmal Thema in den Gesprächen, und eines Tages schmiedeten die Anwesenden den kühnen Plan: „Irgendwann bauen wir Aleppo wieder auf.“
Nach jahrelangen Kämpfen gleichen nicht nur viele syrische Städte Trümmerwüsten. In der Ukraine, so schätzt die Regierung in Kiew, sind mittlerweile bei Kämpfen und Raketenangriffen rund 330.000 Gebäude zerstört worden. Im Osten liegen ganze Städte in Schutt und Asche. Im Gazastreifen herrschen nach monatelangen israelischen Dauerbombardements apokalyptische Zustände. Und überall stellt sich die Frage, wie der Wiederaufbau organisiert werden kann.
Beton eines der klimaschädlichsten Materialien
Auch in Deutschland sei das Recycling von Bauschutt ein wichtiges Thema - hier vor allem aus Umwelt- und Klimaschutzgründen, sagt Schwiderski: „Noch bauen wir viel mit Beton, das ist eines der klimaschädlichsten Materialien.“ In Kriegsgebieten stellt sich die Frage ganz anders, denn vor Ort sind oft gar keine hochwertigen Baumaterialien verfügbar. Auch in Deutschland waren nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Not heraus viele Trümmer wiederverwertet worden.
Technologien, Steine aus zerkleinertem Schutt zu formen, gibt es entsprechend schon lange. Normalerweise werde dafür ein Anteil von knapp 30 Prozent Zement als Bindemittel zugemischt, berichtet Schwiderski. In Krisenregionen und armen Ländern sei aber selbst der ein teures und seltenes Gut. Der Mainzer hat mittlerweile eine Zusammenarbeit mit einer Nichtregierungsorganisation im Gaza-Streifen geschlossen - mit dem Ziel, Zement perspektivisch komplett durch Asche zu ersetzen. Dazu gibt es bereits Entwicklungen, sowohl vor Ort, als auch in Deutschland.
Die von Schwiderski erdachten Steine wiegen 11,3 Kilogramm, sie sind so geformt, dass sie sich ineinander verkanten. Prinzipiell könnten auch mehrgeschossige Gebäude damit errichtet werden - und zwar notfalls sogar ohne Mörtel: „Jeder kleine Betrieb könnte, wenn er eine Maschine hat, eigene Steine produzieren.“ Für die Produktion reichen einfache Steinschredder aus, die von Hilfsarbeitern bedient werden können.
Im Nahen Osten baut man anders als in der Ukraine
Einen Baustein aus Holz hat sich Schwiderski mittlerweile gemeinsam mit seinem Bruder und Miterfinder patentieren lassen und zu Demonstrationszwecken ein kleines Gebäude damit errichtet. Dieses Material wäre beim Wiederaufbau der Ukraine einsetzbar, aber eher nicht im Gazastreifen oder in Syrien: „Im Nahen Osten baut man keine Häuser aus Holz.“ Das Konzept für seine Kriegsschutt-Steine will er sich nicht schützen lassen - möglichst jeder soll sie nutzen können. „Mein Wunsch wäre es aber, Steine vor Ort mit einer gemeinsamen Firma zu bauen“, sagt Schwiderski. „Das ist keine Charity-Angelegenheit.“
Die Idee, beim Wiederaufbau von Gebäuden auf einfache, vor Ort nutzbare Materialien zurückzugreifen, nutzen auch große Hilfsorganisationen. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Eschborn etwa unterstützte nach eigenen Angaben unlängst den Bau einer Schulkantine im Niger aus vor Ort hergestellten Ziegeln. „Im Sahel baut die GIZ mit einfachen Mitteln unter schwierigen Bedingungen“, teilt eine Sprecherin mit. Politische Instabilität, wenige nutzbare Transportwege und funktionsfähige Fahrzeuge würden den Zugang zu den Baustellen erschweren. Daher hätten Dorfbewohner das Gebäude mit vor Ort selbst hergestellten Materialien errichtet.
Bei der GIZ, dem bundeseigenen Unternehmen für Projekte der Entwicklungszusammenarbeit, hat Alfons Schwiderski auch bereits angeklopft und Kontakte zu einer Nichtregierungsorganisation im Gazastreifen geknüpft. Westlich von Mainz hat er zudem das Gelände einer alten Ziegelei aufgekauft, das zuletzt als Schrottplatz genutzt worden war. Hier will er die Produktion seiner Steine aufbauen. Bereits die Fabrikhalle soll aus seinen eigenen Steinen errichtet werden.