Guter Start ins Leben mit der Milch fremder Mütter
Frauenmilchbanken helfen bei der Ernährung von Frühgeborenen

Der Start ins Leben ist für Frühgeborene schwierig. Und oft dauert es auch, bis ihre Mütter Milch für sie haben. Solange bekommen sie die Milch von Spenderinnen. Rund 50 Frauenmilchbanken gibt es in Deutschland, eine davon in Frankfurt.

Frankfurt a.M. (epd). Hedwig schläft. Sie liegt unter einer Decke und trägt eine winzige Mütze, rechts und links über ihrem Bett zeigen Monitore unter anderem Herzschlag und Atmung. Hedwig und ihr Bruder Rufus sind in der 28. Schwangerschaftswoche in der Universitätsklinik in Frankfurt am Main geboren. Hedwig wog 1.400 Gramm, ihr Bruder 1.220 Gramm. Auf beiden Bettdecken liegt eine Spritze, gefüllt mit Muttermilch. Die Nahrung erreicht die Kinder durch eine Sonde, denn schlucken müssen sie erst noch lernen. Die Milch hat Dörte Klein abgepumpt, die Mutter von Hedwig und Rufus - für ihre eigenen Zwillinge und für andere Frühgeborene.

Wie fast alle Frauen, deren Kinder zu früh zur Welt kommen, hatte die 35-Jährige anfangs allerdings keine Milch. Ihr Körper musste sich erst darauf einstellen. Deshalb bekamen ihre Kinder die Milch einer Spenderin, organisiert über die Frauenmilchbank Frankfurt. Durch die für Neugeborene optimale Zusammensetzung gilt die Muttermilch als beste Nahrung für die ganz Kleinen, sagt Ulrich Rochwalsky, Leiter der Neonatologie der Uniklinik, der Abteilung für die Neugeborenen.

Die Frauenmilchbank in Frankfurt gibt es seit fünf Jahren. Angestoßen hat sie der damalige Leiter der Neonatologie, Rolf Schlößer, mit seinem Team. Bei Frühgeborenen ist der Darm noch nicht gut entwickelt, was zu schwerwiegenden Komplikationen führen könne, sagt Schlößer. Die mit Muttermilch ernährten Kinder bekämen aber deutlich seltener eine Darmentzündung als Kinder, die mit kuhmilchbasierter Milch ernährt würden, der sogenannten Formula. Darum sei die Einrichtung einer Frauenmilchbank naheliegend gewesen.

2019 gab es davon in Deutschland knapp 30. Eine gute Sache, aber nach Schlößers Worten „ein Riesenaufwand“. Er hatte schließlich die Idee, den Blutspendedienst Baden-Württemberg - Hessen des Deutschen Roten Kreuzes ins Boot zu holen. Dort gibt es das Wissen und die Infrastruktur, um mit Blut- und auch Milchspenden umzugehen und sie dorthin zu liefern, wo sie gebraucht werden.

Der Blutspendedienst nimmt die eingefrorene Milch der Frauen entgegen, untersucht und pasteurisiert sie und füllt sie in Fläschchen ab. Die Etiketten geben Auskunft über Haltbarkeit, die Spenderin und die Inhaltsstoffe wie Kalorien, Fettgehalt, Eiweiß und Kohlenhydrate, wie Ärztin Ilay Gülek erklärt. Den Spenderinnen werde zuvor zweimal Blut abgenommen, um sicherzugehen, dass sie gesund seien.

Die Zusammenarbeit mit dem Blutspendedienst hat den Vorteil, andere Kliniken relativ einfach an das System anschließen zu können. Inzwischen arbeiten vier Kliniken in Hessen mit der Frauenmilchbank zusammen; perspektivisch soll diese Zahl steigen. Dazu brauche man allerdings finanzielle Förderung, sagt Tina Cambrigde, Fachärztin auf der Neonatologie der Uniklinik. Ein entsprechender Antrag liegt dem hessischen Sozialministerium vor, die Antwort steht noch aus.

„Unser Ziel ist es, Frühgeborene mit weniger als 1.500 Gramm nur mit Frauenmilch zu versorgen“, sagt Cambridge. 2020 hätten rund 50 Prozent der Frühchen Formula bekommen, heute seien es noch drei Prozent. Bei den mit menschlicher Milch ernährten Kindern sei die Immunabwehr besser, was der gesamten Entwicklung zugutekomme. „Auch den plötzlichen Säuglingstod haben wir seltener“, fügt sie hinzu.

Spenderinnen für die Milch sind Frauen, die ihre Kinder in der Neonatologie in Frankfurt geboren haben. „Die Kinder sind oft monatelang hier, wir kennen die Mütter“, sagt Stillberaterin Sofia Bursch. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen sprechen Mütter an, von denen sie wissen, dass sie viel Milch haben. „Die Reaktionen sind meist positiv“, sagt Bursch.

Aktuell versorgen in Deutschland rund 50 Frauenmilchbanken einen Teil der jährlich etwa 10.000 Frühgeborenen, die mit weniger als 1.500 Gramm Gewicht zur Welt kommen, sagt der Neonatologe und Pädiatrische Intensivmediziner Daniel Klotz von der Uniklinik Freiburg. Eigentlich sollte jedem Neugeborenen Muttermilch zur Verfügung stehen, findet das Vorstandsmitglied des 2018 gegründeten Vereins Frauenmilchbank-Initiative. Leider sei die Stillrate in Deutschland niedrig.

Das Problem beim Aufbau von Frauenmilchbanken seien die Kosten: Die Kliniken müssten sie selbst finanzieren, hätten aber alle zu wenig Geld. Jedes Projekt konkurriere deshalb mit einem anderen Projekt, erläutert Klotz.

Dörte Klein ist mit der Idee von Frauenmilchbanken vertraut. Ihre Mutter sei in der DDR Spenderin gewesen, erzählt sie. Im Gegensatz zur Bundesrepublik, wo in den 1970er Jahren die Frauenmilchbanken geschlossen wurden, weil man voll auf die Formula setzte, blieben sie im Osten erhalten. „Als ich gefragt wurde, ob meine Zwillinge Milch von einer anderen Frau bekommen dürfen, hatte ich vollstes Vertrauen, dass es die richtige Ernährung für sie ist.“ Und als sie schließlich selbst mehr Milch abpumpen konnte, als ihre Kinder brauchten, sei es ihr „ein Bedürfnis“ gewesen, selbst zu helfen: „Erst habe ich etwas bekommen, jetzt gebe ich.“

Frauenmilchbank-Initiative e.V.: https://www.frauenmilchbank.de/

Frauenmilchbank Frankfurt am Main: http://u.epd.de/32v3

Von Renate Haller (epd)