
Trotz der Serie mutmaßlich islamistischer Anschläge mit Toten und Verletzten in Deutschland, zuletzt in Mannheim, Solingen und München, wird die Gefahr des Islamismus nach Einschätzung der Islamforscherin Susanne Schröter nicht ernst genommen. „Es geht nicht maßgeblich um Terrorismus. Es geht um demokratiefeindliche Ideologien“, sagte die Direktorin des „Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam“ dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Die Politik zeigt eine klare Haltung gegen den Rechtsextremismus, aber gegenüber dem Islamismus ist sie merkwürdig stumm.“
„Terrorismus kommt nicht aus heiterem Himmel.“
Die Politik dürfe sich nicht allein auf terroristische Anschläge konzentrieren, sondern müsse das Umfeld und die Organisationen in den Blick nehmen, die dieses Handeln tolerierten, erklärte Schröter: „Terrorismus kommt nicht aus heiterem Himmel.“ Wenn etwa ein Anschlag der Hamas in Nahost beklatscht werde oder wenn Äußerungen fielen, dass gegen eine „Beleidigung des Islams“ Gewalt angewandt werden dürfe, sei der gesellschaftliche Friede in Gefahr. Islamistische Gruppierungen wie die „Generation Islam“, „Muslim interaktiv“ oder „Realität Islam“ behaupteten, Muslime hätten eigene Werte und lebten in Deutschland in einer „Wertediktatur“. Solche Gruppierungen hätten Einfluss unter gebildeten Muslimen und bereiteten den Boden, auf dem Terrorismus gedeihe.
Ein Dilemma für staatliche Institutionen und Kirchen
Die Islamforscherin stimmte der vor zwei Wochen geäußerten Kritik des geschäftsführenden Bundesbildungsministers Cem Özdemir (Grüne) zu, dass die Politik unter Muslimen „häufig die völlig falschen Leute hofiert“. Staatliche Institutionen und die Kirchen stünden in dem Dilemma, dass sie Ansprechpartner für Kooperationen suchten, aber im Bereich des demokratisch gesonnenen liberalen Islams keine Partner fänden. Diese seien meist nicht religiös organisiert und hätten Angst, zur Zielscheibe von aggressiven Islamisten zu werden. Politik und Kirchen setzten sich stattdessen mit konservativen Islamverbänden zusammen, die eng mit dem Ausland verbunden seien und Religion und Politik nicht trennten.
Antisemitismus unter Muslimen thematisieren
In den Dialogformaten bestimmten häufig die Islamverbände die Agenda, kritisierte Schröter. Das „Hessische Forum für Religion und Gesellschaft“ etwa sei gescheitert, weil muslimische Vertreter nicht über problematische Themen reden wollten. „Man muss Tacheles reden“, wandte Schröter ein. So müsse man nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel den Antisemitismus unter Muslimen thematisieren. Kirchenvertreter vermieden bei Gesprächen mit Islamvertretern Kritik und Islamvertreter stellten Kritik schnell unter den Verdacht eines „antimuslimischen Rassismus“. „Gegen das Christentum ist scharfe Religionskritik erlaubt, aber bei Kritik am Islam wird man schnell als Rassist abgestempelt“, kritisierte Schröter. „Kritik muss man in einer freien Gesellschaft ertragen.“
Um dem Islamismus zu begegnen, müsse zunächst über ihn geforscht werden, forderte die Wissenschaftlerin. „Das geschieht an deutschen Universitäten praktisch nicht.“ Hier stehe die Beschäftigung mit „antimuslimischem Rassismus“ im Vordergrund. Des Weiteren müssten Lehrkräfte und Schulämter fortgebildet werden. „Es gibt verzweifelte Lehrkräfte, die eine Klarstellung brauchen, was normal ist im Islam und was bedenklich“, sagte Schröter. Dann könnten sie sich destruktiven Einsprüchen einzelner islamistischer Schüler oder Eltern widersetzen, die meinten, Muslime müssten sich von der deutschen Gesellschaft absondern.