
Eine Rückkehr zur Wehrpflicht könnte der Demografie-Expertin Katharina Spieß zufolge für eine verstärkte Ungleichheit zwischen den Geschlechtern führen, wenn lediglich Männer zu einem Dienst an der Waffe verpflichtet würden. „Wir haben kürzlich ein Arbeitspapier veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass es bei Männern, die Wehr- oder Ersatzdienst geleistet und ein Abitur haben, zu Lohnsteigerungen auf dem Arbeitsmarkt kommt“, sagte die Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Wiesbaden. Dies erhöhe das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern weiter.
Hinzu komme, dass es noch immer mit höherer Wahrscheinlichkeit Frauen sind, die wegen Kindern länger beruflich aussetzen. Ein Jahr Wehrpflicht, das exklusiv Männer vom Arbeitsmarkt fernhielte, würde diesen „Gender-Wage-Gap“ nicht mildern, so Spieß.
Beide Geschlechter in die Verpflichtung zu nehmen, wäre aus dieser Perspektive aber auch keine Lösung, wenn sich Väter nicht stärker an der Erziehungsarbeit beteiligen. „Wenn Frauen und Männer ein Jahr im Wehr- oder Zivildienst verbracht haben, aber die Frauen später trotzdem länger für die Kinder Zuhause blieben, wäre das, was die Lohnunterschiede angeht, keine Veränderung zu dem, was wir derzeit haben“, so Spieß.
Könnte zu Problemen auf dem Arbeitsmarkt führen
Die Wissenschaftlerin erklärte, dass die Rückkehr zur Wehrpflicht zu Problemen auf dem Arbeitsmarkt führen könnte, weil ein Jahrgang erst später zur Verfügung stehe. Davon wäre die Wirtschaft voraussichtlich unterschiedlich stark betroffen: Ein männlich geprägtes Berufsbild wie der Ingenieur könnte mit einem verlängerten Fachkräftemangel zu tun haben. „Wir haben im sozialen Bereich aber einen großen Mangel bei sogenannten weiblichen Berufsfeldern. Deshalb hätte es andere Konsequenzen, wenn beide Geschlechter zum Wehr- oder Zivildienst verpflichtet würden, als wenn beispielsweise nur Männer verpflichtet würden“, sagte Spieß.
Dies könnte wiederum auch bei Frauen zu höheren Löhnen führen, weil der „Arbeitsmarkt zum Beispiel die bei einem solchen Dienst erworbenen sozialen Fähigkeiten belohnt“. Zumal die Aussetzung der Wehrpflicht zu Herausforderungen im Gesundheitsbereich geführt habe.
Die Direktorin betonte jedoch: „Bei der Debatte um eine Wiederaufnahme der Wehrpflicht geht es nicht primär um demografische Aspekte, sondern die Wehrhaftigkeit Deutschlands. Und deshalb ist es wichtig, dass wir nicht unterschiedliche Zielsetzungen miteinander vermischen.“ Die Wehrhaftigkeit sei nicht eins zu eins mit einer Arbeitsmarkt-Perspektive aufzurechnen. Wie sinnvoll eine mögliche Rückkehr zur Wehrpflicht sei, müsse die Politik entscheiden, nicht „wir in der Wissenschaft“.
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung: http://u.epd.de/3csy
Arbeitspapier des BiB „Did you serve? New evidence on the causal effect of conscription on wage in Germany“ (englisch): http://u.epd.de/3ctj