Neue Ratsvorsitzende Fehrs: Kirche braucht Veränderung

Das evangelische Kirchenparlament hat am dritten Tag seiner Beratungen ein neues Führungs-Duo gewählt. Im Zentrum der Debatte stand eine humane Migrationspolitik. Die neue Ratsvorsitzende Fehrs appellierte an ihre Kirche, sich zu verändern.

Würzburg, Frankfurt a.M. (epd). Migrationspolitik, die Aufarbeitung von Missbrauch und Wahlen haben das evangelische Kirchenparlament am 12. November beschäftigt. Die neu gewählte Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, appellierte an den Veränderungswillen in der Kirche. „Die evangelische Kirche muss sich verändern“, sagte sie in Würzburg nach ihrer Wahl. Man müsse Kräfte bündeln und mit weniger Ressourcen auskommen, zugleich müsse man gesellschaftlich an der Seite der Schwächsten stehen.

Das alles sei aber nur glaubwürdig möglich, wenn man die Aufarbeitung und Prävention von sexualisierter Gewalt in der Kirche konsequent voranbringe, betonte die Hamburger Bischöfin. Wie schwer es sein kann, Glaubwürdigkeit zu behalten, zeigte sich, als sich Fehrs zu Vorwürfen gegen ihre Person erklärte. Am 11. November war im Plenum der EKD-Synode der Vorwurf gegen Fehrs und die Nordkirche öffentlich geworden, die Hamburger Bischöfin sei in einem Missbrauchsfall einer Betroffenen befangen gewesen in ihrer Rolle als Vorsitzende der dortigen Unterstützungsleistungskommission. Fehrs nannte diese Vorwürfe „gegenstandslos“. Sie habe ihre Befangenheit in dem Verfahren vor der Kommission erklärt und sich bis heute daran gehalten.

Die 63-Jährige erhielt am Morgen 97 von 130 Stimmen der Mitglieder des Kirchenparlaments sowie der Delegierten der 20 Landeskirchen. Es gab 14 Gegenstimmen und 19 Enthaltungen. Zu ihrem Stellvertreter wählten die Delegierten mit 110 Stimmen den sächsischen Landesbischof Tobias Bilz.

Dass es gerade bei der Debatte über eine Verschärfung der Migrationspolitik noch Erwartungen an die Kirche gibt, machte der flüchtlingspolitische Sprecher von Pro Asyl, Tareq Alaows, deutlich. Die evangelische Kirche übernehme etwa mit ihrem Engagement für die Seenotrettungsinitiative „United4Rescue“ staatliche Aufgaben, indem sie Menschen im Mittelmeer mit Rettungsschiffen vor dem Ertrinken rette. Alaows wünschte sich eine klare Position zu den geforderten Verschärfungen des Asylrechts. Mit den Gesetzesverschärfungen könne es möglich werden, dass Schutzsuchende, darunter auch Kinder, an deutschen Flughäfen inhaftiert würden, weil sie ohne Aufenthaltstitel einreisten.

Der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) sagte während einer Podiumsdiskussion, er warne davor, dass man meine, man könne Populisten aus den Parlamenten heraushalten, wenn man versuche, „sie auf der Tonspur rechtsaußen zu überholen“. „Das wird misslingen“, sagte Schuchardt in Richtung des CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz.

Anne Harms, Leiterin der kirchlichen Hilfsstelle „fluchtpunkt“ der Nordkirche, fragte: „Glauben wir ernsthaft, es macht unser Land sicherer, Menschen der völligen Verelendung und Entrechtung aussetzen? Glauben wir, dass Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, weniger anfällig für Radikalisierung und psychische Krisen sind?“ Ihrer Meinung nach sei zudem das Thema der sogenannten illegalen Migration nicht das wichtigste politische Problem in Europa. Stattdessen müsse man sich fragen, ob man heute, wo es noch möglich sei, genug dafür tue, die Klimakatastrophe abzuwenden. Zu ihrem Schwerpunktthema „Migration, Flucht und Menschenrechte“ will die Synode am 13. November zum Abschluss ihrer viertägigen Beratungen Beschlüsse fassen.

Informationen zur Synodentagung: http://u.epd.de/1cn9

Livestream: http://u.epd.de/37h9

Pressemitteilungen der EKD: http://u.epd.de/1p6y

Von Franziska Hein (epd)