Erstmals ist eine Frau die Spitzenvertreterin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau: Christiane Tietz wurde in das Amt der Kirchenpräsidentin eingeführt. Die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs nannte sie eine „hoffnungsvolle Realistin“.
Wiesbaden (epd). Christiane Tietz (57) ist am 26. Januar feierlich zur Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) ernannt worden. Die in Frankfurt gebürtige Theologin wurde in einem Festgottesdienst in der Lutherkirche Wiesbaden in ihr Amt eingeführt. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, leitete die Einführung im Beisein von mehr als 700 Gästen. Tietz tritt ihr Amt am 1. Februar an.
Die EKD-Ratsvorsitzende lobte Tietz als eine kluge und scharfsinnige Theologin, die es liebe zu predigen und die eine theologisch tiefgründige Denkerin sei. Sie werde die anstehenden Veränderungen mit Mut voranbringen, sagte Fehrs: „Christiane Tietz strahlt dabei als 'hoffnungsvolle Realistin' so viel Herzlichkeit und Zuversicht aus, dass es den Menschen - auch inmitten allen Irrsins dieser Tage, all der Ohnmacht, die uns ergreift - Kraft geben wird und Orientierung.“ Tietz ist bis zu ihrem Amtsantritt Professorin für Systematische Theologie in Zürich gewesen.
Der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein wünschte in seinem Grußwort Tietz Kraft für ihre Aufgabe. „Unsere Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen. Gerade in einer solchen Zeit ist es wichtig, dass wir alle gemeinsam für Toleranz, Respekt und Dialog eintreten“, sagte Rhein. „Wir brauchen die Stimme der Kirche - ihren Blick auf das Wesentliche, das Gebot der Nächstenliebe aus der jüdisch-christlichen Tradition und ihren Einsatz für gegenseitige Achtung und eine menschenwürdige Gesellschaft“, hob der Ministerpräsident hervor.
Im Gottesdienst entpflichtete die EKD-Ratsvorsitzende den in den Ruhestand eingetretenen früheren Kirchenpräsidenten Volker Jung (65) von seinem Amt, das er 16 Jahre lang ausgeübt hatte. Fehrs dankte Jung für seine „tief gegründete Menschenfreundlichkeit“ und seinen Einsatz für das Kirchenasyl und die „kompromisslose Aufarbeitung von sexueller Gewalt“. Jung sei „einer, der friedlich streiten kann und stets in der Lage ist, die Hand zu reichen“. Der zu Tränen gerührte Volker Jung wünschte seiner Nachfolgerin viel Freude in ihrem Amt.
Christiane Tietz warb in der Predigt dafür, sich nicht vor Gesprächen über Religion und Politik zu scheuen. Sprachlosigkeit sei gefährlich für die Politik und schade der Religion, sagte sie. Der Apostel Paulus hingegen habe offen über seinen Glauben gesprochen, denn er habe entdeckt: „Gott ist mir freundlich zugewandt, er hat mich ins Herz geschlossen. Egal was passiert, Gott ist mir nah.“ Diese gute Nachricht habe Paulus' Sicht über andere Menschen verändert: „Gott ist ja allen Menschen freundlich zugewandt.“ Auch sie wolle davon erzählen, wie die gute Nachricht sie trage, sagte Tietz.
Der Glaube helfe auch, in Gesprächen über Politik weiterzukommen, fuhr die Kirchenpräsidentin fort. Wenn es gelinge, dem Gegenüber freundlich zugewandt zu bleiben, höre dieser wieder zu. „Vielleicht erzähle ich dann dem Onkel, was seine politische Sicht bei mir an Ängsten auslöst. Und vielleicht erzählt der Onkel mir dann von seinen Ängsten.“ Auch für Gespräche über politisch umstrittene Themen solle die Kirche ein Ort sein: „Wir wollen dazu beitragen, dass wir in der Gesellschaft uns zugewandt bleiben in der Haltung: Ich nehme dich als Mensch wahr, mit deinen Hoffnungen, Ängsten und Sorgen.“
Grußworte hielten neben Rhein auch der katholische Limburger Bischof Georg Bätzing und die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hofmann. Weitere leitende Geistliche aus evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümern nahmen an der Feier teil. Auch Gäste aus Partnerkirchen in Italien, Indien, Tansania und den USA waren geladen.
Mitteilung der EKHN zum Amtswechsel: http://u.epd.de/3abi