Der Soziologe Klaus Hurrelmann wertet den bundesweiten Protest gegen Rechtsextremismus als Beleg für einen Stimmungswandel in der Bevölkerung. „Die Proteste gegen rechts wirken auf mich wie ein Befreiungsschlag von Gruppen der Bevölkerung, die wegen Corona und der vielen anderen Herausforderungen sehr lange mit sich selbst beschäftigt waren und fast übersehen hätten, was alles auf dem Spiel steht“, sagte Hurrelmann der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag). Am Wochenende hatten bundesweit Hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie demonstriert.
Die Bundesregierung sei angehalten, „jetzt offen und direkt auf die konstruktiven Kräfte in allen Gruppen der Gesellschaft aktiv einzugehen und sie aufzufordern, sich an der Lösung der anstehenden Probleme zu beteiligen“, betonte der Soziologe von der Hertie School in Berlin.
Der Protestforscher Dieter Rucht, Mitbegründer des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung in Berlin, erklärt sich die Demonstrationswelle mit den Enthüllungen über das Potsdamer Treffen von AfD-Politikern mit Rechtsradikalen, an dem auch einzelne Mitglieder der CDU und der Werteunion teilgenommen hatten. „Damit ist gleichsam ein Fass, in dem sich viel Besorgnis, aber auch Hilflosigkeit angestaut hat, zum Überlaufen gebracht worden“, sagte Rucht der „Augsburger Allgemeinen“. Die Breite der aktuellen Proteste hänge auch damit zusammen, dass die Besorgnis über eine Erosion der Demokratie gewachsen sei und nun eher bürgerliche Gruppen anstatt linksradikaler Antifaschisten zu Protesten aufgerufen hätten. (00/0239/22.01.2024)