"Keiner schreit nach Gerechtigkeit"
Vor 80 Jahren wurde der Reggaemusiker Peter Tosh geboren
Bielefeld (epd).

„Musik ist meine Waffe, um gegen Apartheid, Atomkrieg und kriminelle Unterdrücker zu kämpfen“, sagte der jamaikanische Reggaemusiker Peter Tosh (1944-1987) einmal in einem Interview. Zusammen mit seinem Jugendfreund Bob Marley, den er in dem Armenviertel Trenchtown auf Jamaika kennenlernte, gründete er die Band „The Wailers“. Vor 80 Jahren, am 19. Oktober 1944, kam er zur Welt, im Alter von 42 Jahren wurde er ermordet.

Tosh galt als rebellisch und kompromisslos. Bereits der Song „Get Up, Stand Up“ (1973), den er zusammen mit Marley schrieb, ruft dazu auf, sich zu widersetzen und für die eigenen Rechte einzutreten. Friedens- und Versöhnungsappelle, wie sie später von Bob Marley kamen, waren Toshs Sache nicht. In seinem Song „Equal Rights“ ätzte er: „Jeder schreit nach Frieden, aber keiner schreit nach Gerechtigkeit.“

Der US-Historiker Roger Steffens sieht den jamaikanischen Musiker in einer Traditionslinie mit Freiheitskämpfern und Revolutionären wie Malcolm X und Che Guevara. Der Musiker präsentierte sich oft mit Barett, Militärjacke und Sonnenbrille. Eine seiner E-Gitarren war eine Stilisierung eines M-16-Maschinengewehrs.

Geboren wurde er als Winston Hubert McIntosh am 19. Oktober 1944 in Church Lincoln, Westmoreland, auf Jamaika. Der Vater James McIntosh soll Berichten zufolge Prediger gewesen sein. Er erkannte Tosh nicht als sein Kind an. Die Mutter gab den Sohn schließlich zu Verwandten. Mit 15 Jahren zog er zu seinem Onkel in eines der Armenviertel der Hauptstadt Kingston.

Gemeinsam mit Bob Marley hat Peter Tosh die Reggaemusik von Jamaika aus weltweit bekannt gemacht. Als Marley vom Chef des Plattenlabels „Island“ immer stärker in den Vordergrund der „Wailers“ gestellt wurde, stieg Tosh verbittert aus. Den weißen Labelchef Chris Blackwell nannte er in einem Wortspiel verächtlich „Whiteworst“ („schlimmster Weißer“).

Während Marley angesichts der bürgerkriegsähnlichen Zustände in der einstigen britischen Kolonie Jamaika 1978 bei einem „One Love Peace Concert“ im Nationalstadion zum Frieden aufrief, übte Tosh dort wütende Kritik an Ausbeutung und Unterdrückung. Er selbst bezeichnete sich in einem gleichnamigen Song als „wandelndes Rasiermesser“ („Stepping Razor“).

Mick Jagger und Keith Richards von den „Rolling Stones“ gefiel das rebellische Auftreten des Musikers. Sie produzierten drei Alben mit Tosh. Das Duett mit Mick Jagger „(You Gotta Walk) Don't Look Back“ (1979) brachte den jamaikanischen Musiker auch als Solokünstler in die Charts. Tosh ist außerdem im Musikvideo „Waiting On a Friend“ (1981) der Stones zu sehen. Doch der streitbare Musiker überwarf sich mit den britischen Rockern, denen er vorwarf, seine Platten zu wenig zu unterstützen.

Er könne nicht als internationaler Star von Liebe singen, solange ihn die Polizei brutal misshandle, erklärte er seine Haltung. Weil er in der Öffentlichkeit einen Joint rauchte, wurde er 1978 von der Polizei in eine Arrestzelle gesperrt und fast tot geprügelt. Der Kampf für die Legalisierung von Marihuana war für Tosh ein zentrales Anliegen, das er in Stücken wie „Legalize it“ und „Bush Doctor“ thematisierte. Für ihn war der Konsum von Marihuana Teil religiöser Meditation, in dem Verbot sah er nur eine weitere Form der Kriminalisierung von Schwarzen.

Tosh war wie viele Reggaemusiker Anhänger des Rastafari-Glaubens. Dieser übernimmt Bibelstellen des Alten Testament, als Gottheit wird der äthiopische Kaiser Haile Selassie (1892-1975) verehrt.

Mit 42 Jahren, am 11. September 1987, wurde Peter Tosh in seinem Haus erschossen. Als Haupttäter wurde ein mehrfach vorbestrafter Bekannter des Musikers verurteilt, der mit zwei Komplizen offenbar Geld erpressen wollte. Tosh hatte immer wieder die Regierungen Jamaikas scharf angegriffen und war auch sonst keinem Konflikt aus dem Weg gegangen. Daher kamen nach seinem Tod Gerüchte auf, dass möglicherweise ein unbequemer Rebell zum Schweigen gebracht werden sollte.

Offiziell zu Ehren kam Tosh in seiner Heimat erst nach seinem Tod. Michael Norman Manley, mehrfach Premierminister des Landes, würdigte ihn als „alten Freund, der Jamaika und der Welt eine unvergessliche Bibliothek von musikalischen Arbeiten hinterlassen“ habe. 25 Jahre nach seiner Ermordung wurde Tosh im Jahr 2012 posthum mit dem „Order of Merit“ ausgezeichnet, dem dritthöchsten jamaikanischen Verdienstorden. Zum 80. Geburtstag gedenkt die „Peter Tosh Stiftung“ am 19. Oktober auf Jamaika mit einem großen „Toshfest“-Konzert des Musikers.

Von Holger Spierig