Debatte um Abschaffung von telefonischer Krankschreibung
s:46:""Klassische" Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung";
"Klassische" Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Düsseldorf, München (epd).

Angesichts des aktuell hohen Krankenstands fordern die Arbeitgeber die Abschaffung der telefonischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Eine Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sieht zwischen beidem aber keinen Zusammenhang. Ärztevertreter sprachen sich für den Beibehalt dieser Regelung aus. Die Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth, nannte in der „Rheinischen Post“ (Montag) die telefonische Krankschreibung „eine der ganz wenigen erfolgreichen politischen Maßnahmen zur Entbürokratisierung des Gesundheitswesens“.

Zuvor hatte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, der „Rheinischen Post“ gesagt, er vermute Missbrauch bei der telefonischen Krankschreibung. Ungerechtfertigte Praktiken von digitalen Geschäftemachern müssten unterbunden werden.

Zu anderen Ergebnissen kommt allerdings das ZEW in einer am Montag veröffentlichten Studie über die Ursachen des Anstiegs der Fehlzeiten. Demnach mehren sich auch Krankschreibungen zwischen 4 und 14 Tagen Dauer. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Telefon gibt es aber nur für maximal fünf Kalendertage. Die Regelung war im Dezember 2023 dauerhaft eingeführt worden, nachdem sie während der Corona-Pandemie lediglich auf Zeit möglich war.

Der ZEW-Studie zufolge führt vor allem eine bessere Erfassung zu mehr gemeldeten Fehlzeiten. „Seit dem 1. Januar 2022 wurde mit dem Beginn der elektronischen AU-Bescheinigung (eAU) die Datenerfassung deutlich verbessert“, heißt es darin. Vorher seien viele Krankschreibungen den Krankenkassen schlicht nicht gemeldet worden und daher in der Statistik nicht aufgetaucht.

Neben diesem nur scheinbaren Anstieg gibt es laut der Studie es aber auch einen realen. „Seit der Corona-Pandemie sind viele Menschen offensichtlich vorsichtiger bei Infektionskrankheiten geworden, um andere nicht anzustecken“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Nicolas Ziebarth, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen“ und einer der Autoren der Studie, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Eine Sprecherin von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte die telefonische Krankschreibung, schloss aber zugleich nicht aus, dass Patienten sie ausnutzen. Sie verwies auf den Beschluss der Ampel-Koalition, die telefonische Krankschreibung im Rahmen ihrer Wachstumsinitiative für die Wirtschaft zu überprüfen und möglicherweise anzupassen, wenn dies „bürokratiearm“ möglich sei.

Die Hausärztevertreterin Buhlinger-Göpfarth sah keinen Zusammenhang zwischen mehr Fehlzeiten und telefonischer Krankschreibung. „Die Unterstellungen, dass sich die Menschen mithilfe der Telefon-AU einen schlanken Fuß machen, können wir aus unserer täglichen Arbeit nicht bestätigen“, sagte die Fachärztin für Allgemeinmedizin. Diese Möglichkeit jetzt abzuschaffen, wäre absurd, sagte sie.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte im Bayerischen Rundfunk: „Wenn wir jeden, der eine banale Erkältung hat, aber nicht arbeitsfähig ist oder die andere Belegschaft nicht anstecken soll, immer in die Praxis kommen lassen, dann werden wir das in der Dichte, in der wir das jetzt aktuell erleben, natürlich irgendwie bewältigen, aber das ist keine Erleichterung unserer Arbeit.“