Rund 230 Menschen haben am Montag in Hannover nach Polizeiangaben gegen Antisemitismus und für Solidarität mit Israel demonstriert. Im Stadtzentrum erinnerten sie an das Massaker an rund 1.200 Israelis durch die palästinensische Terrororganisation Hamas vor einem Jahr am 7. Oktober 2023 sowie an die rund 200 entführten Geiseln. Die Vorsitzende der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover, Rebecca Seidler, forderte bei der Kundgebung einen konsequenten Schutz jüdischen Lebens in Deutschland. „Wir sind regelrecht in einem Ausnahmezustand“, sagte Seidler.
Zeitgleich demonstrierten in Hörweite ebenfalls rund 200 Menschen gegen die israelische Reaktion im palästinensischen Gaza-Streifen. Auf Fahnen und Plakaten sowie in Sprechchören und in per Lautsprecher abgespielten Liedern forderten sie „Freedom for Palestine“ („Freiheit für Palästina“). Die Musik erklang teilweise in arabischer Sprache. Rednerinnen und Redner wiederholten in ihren Beiträgen den Vorwurf, Israel begehe im Gaza-Streifen einen Völkermord. Immer wieder setzten sie jüdische Zionisten mit Faschisten gleich und forderten ein Ende der deutschen Hilfen für Israel.
Die Polizei sprach von einer aufgeheizten Stimmung zwischen beiden Kundgebungen. Nach Provokationen hätten Teilnehmer der proisraelischen Demonstration versucht, an die andere Gruppe heranzukommen. Polizeibeamte hätten sich jedoch dazwischengestellt. Aus den Reihen der propalästinensischen Kundgebung sei es zu tätlichen Angriffen auf Polizeibeamte gekommen.
Die Liberale Jüdische Gemeinde hatte gemeinsam mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, den „Omas gegen Rechts“ und der Jugend der Gewerkschaft ver.di zu einer eigenen Kundgebung aufgerufen, weil sie den Jahrestag des Massakers der Hamas von den propalästinensischen Demonstranten missbraucht sah. Eine Mahnwache für die Mörder und Vergewaltiger des 7. Oktober sei ein Schlag ins Gesicht für die Opfer, hieß es. Seidler sagte, im Vordergrund müssten die Geiseln stehen: „Wir können erst Ruhe geben, wenn alle Geiseln zu Hause sind.“ Rund 100 Geiseln sollen sich noch in der Gewalt der Hamas befinden.
Kay Schweigmann-Greve von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft appellierte an die Verwaltungsgerichte, Demonstrationen zu untersagen, wenn dort Hass und Hetze verbreitet würden: „Es kann nicht sein, dass im Namen der Meinungsfreiheit ein Klima entsteht, das von Angst und Einschüchterung geprägt ist.“
In Bremen kamen nach Polizeiangaben bis zu 450 Menschen zu einer Mahnwache für Israel. Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sagte, Israel habe jedes Recht, seine Bürger gegen Terrorangriffe zu verteidigen. Solidarität mit Israel bedeute dabei jedoch nicht, jede Entscheidung der israelischen Regierung zu rechtfertigen. Bovenschulte wandte sich zugleich gegen judenfeindliche Hetze: „Wir dulden keine Sympathiebekundungen für Terrororganisationen. Es darf nicht sein, dass Jüdinnen und Juden sich in Deutschland wieder bedroht fühlen.“
Bei einem interreligiösen Friedensgebet in der Marktkirche Hannovers mit rund 150 Teilnehmenden erinnerten Vertreter mehrerer Religionen an die Opfer des Konflikts auf beiden Seiten. „Der 7. Oktober ist ein Tag, den wir nicht vergessen können und dürfen“, sagte der evangelische Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes. Die islamische Theologin Hamideh Mohagheghi sagte: „Die Wucht der Gewalt seit dem 7. Oktober 2023 macht uns sprachlos und wütend zugleich.“ Beide unterstrichen, wie wichtig der gegenseitige Dialog sei.
Auch in weiteren Orten in Niedersachsen waren am Montag Solidaritätskundgebungen für Israel geplant, unter anderem in Oldenburg, Göttingen, Braunschweig und Osnabrück.