Prinz Reuß: "Ich lehne Krieg und Gewalt ab"

Heinrich XIII. Prinz Reuß, mutmaßlicher Anführer einer Verschwörergruppe aus dem „Reichsbürger“-Milieu, hat vor Gericht erstmals ausführlich seinen Lebensweg dargestellt. Zu den Vorwürfen der Anklage blieb er jedoch einsilbig.

Frankfurt a.M. (epd). Im Prozess um die mutmaßliche Verschwörung im „Reichsbürger“-Milieu hat sich erstmals der Frankfurter Geschäftsmann Heinrich XIII. Prinz Reuß geäußert. Der 72-Jährige trug am 28. Juni vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main in dunkelblauer Anzugsjacke zwei Stunden lang seinen Lebenslauf vor, der von Mühen und Schwierigkeiten gekennzeichnet gewesen sei. Dabei versagte ihm immer wieder die Stimme. „Was mir in der Sache vorgeworfen wird, kann ich nicht bestätigen“, sagte er zwischendurch.

„Wie mir eine Nähe zum NS-Regime angedichtet wird, bleibt mir ein Rätsel. Ich habe damit nichts zu tun“, sagte er. Mit nur einem Satz nahm Prinz Reuß zur Sache und zum Glauben der Verschwörer Bezug: Es habe sich herausgestellt, dass „die Erdallianz“ ein „trojanisches Pferd“ sei, die nichts veranlasst habe. Damit spielte er auf die Annahme der Verschwörer an, ein ihnen gewogener Bund auswärtiger Mächte würde die Demokratie in Deutschland beseitigen.

Die Familie Reuß floh nach Prinz Reuß' Worten 1945 von ihren Besitzungen in Thüringen nach Hessen, wo verwandtschaftliche Beziehungen zum Fürstenhaus von Ysenburg und Büdingen bestanden. Der Krieg sei in seiner Kindheit zwar gegenwärtig gewesen, aber verdrängt worden. Klar gewesen sei: „Auf Menschen zielt man nicht.“ Unter Schniefen sagte er: „Auch deshalb lehne ich Krieg und Gewalt ab.“

Prinz Reuß wuchs nach seiner Darstellung zunächst in Wächtersbach und dann in Büdingen auf. Dort habe er für die Ponyzucht und in der Landwirtschaft des Vaters hart gearbeitet und sei immer wieder verletzt gewesen, auch durch Reitunfälle. In der Schule habe er wegen seines Namens Angriffe durch Mitschüler und Erniedrigungen durch Lehrer erdulden müssen.

In Hamburg machte Prinz Reuß sein Diplom als Ingenieur für Fahrzeugtechnik, in München ein abgekürztes Studium der Betriebswirtschaftslehre. 1980 kehrte er nach Büdingen zurück und stieg in das Handelsgeschäft eines Bruders ein. Später übernahm er die Firma und verfolgte unterschiedliche Geschäftszweige wie Immobiliengeschäfte, den Betrieb von Aerobic-Studios oder Ponyzucht.

Seine inzwischen geschiedene Ehe mit einer Iranerin sei von beiden Familien nicht gewollt gewesen. Nach dem Familienkodex habe er nur eine christliche Partnerin aus einem europäischen Adelshaus heiraten dürfen. Er resümierte: „Es gab in allen Lebensbereichen Widerstände und Anpassungsbedarf.“

Mehrfach äußerte er sich zum Vermögensgesetz nach der Wiedervereinigung und zum Lastenausgleich für Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Er habe sich fortwährend um die Rückgabe von früherem Familieneigentum bemüht, aber die geforderten Nachweise seien aufgrund von Flucht und Zerstörung kaum vorhanden. Auch haderte er mit der Treuhand, die Liegenschaften an Verwandte statt an ihn verkauft habe. Bei einer der mehreren Unterbrechungen seines Vortrags erklärte er: „Mein Zustand ist angegriffen.“

Die Bundesanwaltschaft wirft Prinz Reuß und weiteren 25 mutmaßlichen Mitverschwörern die Mitgliedschaft in beziehungsweise die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung sowie die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens vor. Unter dem Eindruck von Verschwörungstheorien sollen sie einen Staatsstreich geplant haben, bei dem unter anderem der Bundestag in Berlin mit Waffengewalt gestürmt und Abgeordnete gefangen genommen werden sollten. Die Gruppe war bei einer Razzia im „Reichsbürger“-Milieu im Dezember 2022 aufgeflogen.

In Frankfurt wird gegen neun mutmaßliche Rädelsführer der Gruppe verhandelt. Neben Prinz Reuß sind das unter anderen die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Berliner Ex-Richterin Birgit Malsack-Winkemann und Rüdiger v. P., ein ehemaliger Oberstleutnant der Bundeswehr. Die weiteren Prozesse finden in München und Stuttgart statt.

Von Jens Bayer-Gimm (epd)