
Das Senckenberg-Naturmuseum will zeigen, wie das komplexe Netzwerk des Gehirns arbeitet. In seiner neuen Dauerausstellung treffen Erkenntnisse der Wissenschaft auf ein prominentes Beispiel für die Leistung des Organs.
Frankfurt a.M. (epd). Das in Größe und Form wirklichkeitsgetreue Modell des Kopfes zeigt beides: das Gehirn und das Gesicht von Karl-Heinz „Charly“ Körbel. Die von dem Künstler Tim Berresheim geschaffene Büste des Fußball-Rekordspielers steht am Eingang zur neuen Dauerstellung „Gehirne“ des Senckenberg-Naturmuseums in Frankfurt am Main. Die Schau zeigt vom 26. März an 120 Exponate zum Thema Gehirn von Menschen und Tieren.
Körbels Gehirn erhielt bei einer Internet-Wahl den Zuschlag
Das Organ ermöglicht es zu denken, zu fühlen und zu handeln. Sein Aufbau und seine Struktur sind kompliziert. Beim Fußballspielen etwa sind Körper und Geist in ständiger Interaktion, dabei laufen im Gehirn komplexe Vorgänge ab. Durch die Verbindung von Wissenschaft, Kunst und Eintracht Frankfurt-Legende Körbel biete das Museum einen leichten Zugang zu dem spannenden Organ, sagt der Direktor des Senckenberg-Forschungsinstituts und Naturmuseums, Andreas Mulch am 25. März bei der Präsentation der Ausstellung
Als er „Einstein geschlagen“ hat, habe er den größten öffentlichen Zuspruch seines Lebens erfahren, scherzt Charly Körbel, der 602 Bundesligaspiele bestritten hat, mehr als jeder andere Fußballer, und alle für Eintracht Frankfurt. Die Senckenberg-Gesellschaft hatte vor einigen Jahren im Internet abstimmen lassen, welches Gehirn sie in der Ausstellung zeigen soll. Das Denkorgan Körbels setzte sich mit 56 Prozent der abgegebenen Stimmen durch, unter anderem gegen die Gehirne von Albert Einstein und der Schimpansenforscherin Jane Goodall, die 26 beziehungsweise elf Prozent bekamen.
Damit habe er nicht gerechnet, gesteht Körbel. Schließlich sei Einstein tot, während er noch lebe und deshalb eigentlich nicht ins Museum gehöre, so der 70-Jährige. Aber seine Fans wollten ihm wohl ein ganz besonderes Denkmal setzen, als sie ihre Stimme für ihn abgaben. „Jetzt sitze ich hier und kann in mein Gehirn gucken, das ist schon komisch“, sagt er. Zuerst sei er ein bisschen erschrocken, inzwischen habe er sich daran gewöhnt. Er würde sich freuen, wenn er jungen Menschen mit der Aktion bewusst machen könne, wie sie mit ihrem Gehirn umgehen, etwa in Bezug auf Alkohol, Ernährung oder die Nutzung von Handys.
Künstler Berresheim schuf Gehirn-Modell mithilfe von MRT-Scans
Die Büste von Künstler Berresheim zeigt Gehirn, Gesichtszüge, Muskeln, Augen und Adern. Gearbeitet hat er dazu mit aufwendigen MRT-Scans von Körbels Gehirn, Bildmessungen und Lichtscans. Die Wände des Ausstellungsraums gestaltete er mit Bildern und Erinnerungsstücken aus Körbels Fußballkarriere.
Neben der Skulptur am Eingang liegen ein altes Eintracht-Trikot und schwarze Trainingsschuhe von Charly Körbel aus den 1980er Jahren. Fußball ist auch auf dem Boden des Ausstellungsraums präsent, der ein Spielfeld zeigt. Die Wahrnehmungsprozesse beim Fußball seien gut darstellbar und böten einen niedrigschwelligen Zugang zu dem Thema, erklärt Kuratorin Adela Kutschke.
Besucher der Ausstellung können auf einem virtuellen Spielfeld erleben, welche Gehirnareale bei verschiedenen Spielzügen aktiv sind. Dass bei Bewegung andere Regionen des Organs angesprochen sind als beim Sehen oder Fühlen, ist durch das Aufleuchten der jeweiligen Regionen zu sehen. „Das Kleinhirn koordiniert beispielsweise präzise Bewegungen, der Temporallappen verarbeitet das Pfeifen des Schiedsrichters und der Okzipitallappen erkennt den Ball“, lautet die Erklärung für die beim Fußballspiel notwendige „maximale Gehirnleistung“.
An Hörstationen werden Interviews mit Forschern präsentiert, Modelle von Gehirnen und Nervenzellen erläutern den Aufbau und die Funktionen der Organe verschiedener Lebewesen. Exponate aus dem Tierreich machen deutlich, wie sich etwa eine Fledermaus orientiert oder eine Silberameise navigiert.
Die Ameise erreicht ihr Ziel ganz ohne Smartphone, sagt Kurator Maximilian Bugert. Sie finde sich mithilfe ihres Gehirns in einer Wüstenlandschaft zurecht, die keinerlei Orientierungspunkte bietet. „Sobald sie ihre Nahrung gefunden hat, findet sie in Echtzeit zurück nach Hause“, schwärmt er.
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