Personalpolitik: Über 100 Projekte zugunsten der Beschäftigten
s:36:"Ute Düvelius (li.) und Eva Lampmann";
Ute Düvelius (li.) und Eva Lampmann

In kaum einer anderen Branche sind der Fachkräftemangel, die Arbeitsbelastung und die Fehlzeiten so hoch wie in der Gesundheitsbranche. Die Träger wissen das und steuern auf vielfältige Weise dagegen. Sehr systematisch geht das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) dabei vor. Ute Düvelius und Eva Lampmann erläutern im Gastbeitrag für epd sozial Ziele und Erfolge ihrer Personalpolitik.

Um auch im demografischen Wandel eine gute Versorgung gewährleisten zu können, müssen Einrichtungen eine Personalpolitik verfolgen, die es schafft, bestehende Mitarbeiter:innen langfristig zu binden und ihre Gesundheit zu stärken. Durch eine Kombination aus präventiven Gesundheitsmaßnahmen, flexiblen Arbeitszeitmodellen und einem wertschätzenden Betriebsklima können Organisationen ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern und sich langfristig als zukunftssicherer Gesundheitsdienstleister positionieren.

Um dieses Ziel zu erreichen, setzt das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) unter anderem seit 2010 auf eine partizipative Experten- und Expertinnenstruktur. Diese ermöglicht es, abseits traditioneller Hierarchien bedarfsorientiert Lösungen zu entwickeln. Wesentliche Faktoren für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden werden dort durch berufs- und hierarchieübergreifende Arbeitsgruppen strategisch gesteuert. Das schafft die Grundlage für eine beschäftigtenorientierte Personalpolitik, die Bedarfe frühzeitig erkennt und auf sie reagiert.

Personalstärkungsgesetz nutzen

Mehr als 100 innovative Projekte konnten so umgesetzt und stetig weiter-entwickelt werden - auch mithilfe einer Förderung der Techniker Krankenkasse aus dem Pflegepersonalstärkungsgesetz.

Im Projekt „Arbeiten 5.0 - Harmonisierung von Dienstzeiten und Prozesse“ wurden zum Beispiel flexibilisierte Arbeitszeitmöglichkeiten erarbeitet. Möglich sind nun auch verlängerte Tag- und Nachtdienste, flexible Kurzdienste oder Gleitzeit. Ziel ist die größtmögliche Freiheit in der Arbeitszeitgestaltung, die Verringerung von Arbeitsspitzen und -belastung sowie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Ergänzend dazu wurden Prozessbausteine entwickelt, um die Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen zu harmonisieren. Dazu gehören untern anderem ein Ärzte- und Ärztinnen-Pflege-Tandem, verbindliche Visitenregelungen sowie morgendliche Kurz- oder Tagesabschlussbesprechungen. Bislang haben bereits mehr als 1.300 Personen die neuen Dienstzeiten genutzt und die Rückmeldungen der Kolleg:innen sind durchweg positiv. Das Projekt wird vom Hamburg Center for Health Economics über mehrere Jahre wissenschaftlich evaluiert.

Bessere Zusammenarbeit auf den Stationen

Doch schon jetzt wurden weitere Bedarfe ermittelt, die nun angegangen werden. Das neue Projekt „Zusammenarbeit in der klinischen Praxis“ fokussiert die interprofessionelle Zusammenarbeit auf Station, mit dem Ziel, die Mitarbeitendenzufriedenheit, die Effizienz und Patientensicherheit weiter zu steigern.

Ein weiteres Förderprojekt ist das Projekt „Stress und Traumaprävention“. Schon 2017 entwickelte eine Arbeitsgruppe der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE ein fundiertes Konzept zur Prävention von Traumafolgestörungen nach besonders belastenden Ereignissen im klinischen Kontext. Zentraler Bestandteil dieses Konzepts ist die Ausbildung kollegialer Berater und Beraterinnen. Ihre Kernaufgabe ist es, Betroffene nach akut belastenden Arbeitssituationen zeitnah mit strukturierten Gesprächen zu unterstützen.

Mehr als 100 Peer-Beratende geschult

Seit 2018 absolvierten mehr als 100 Peer-Beratende aus diversen Berufsgruppen die Ausbildung im Umfang von 24 Unterrichtseinheiten. Um Teilnahmen weiter zu erleichtern, wurde im Verlauf ein E-Learning mit einem zweitägigen Kurs kombiniert. Ergänzend entstanden während der Corona-Pandemie auch psychosoziale Angebote für Teams besonders belasteter Klinikbereiche, die dort ebenfalls weiterhin angeboten und evaluiert werden.

Das Projekt „AZUBI - Ausbildung mit Zukunft bieten“ hat wiederum die Gesundheit der jüngsten Mitarbeitenden im Fokus. Es sollen Maßnahmen zur attraktiveren Gestaltung der Pflegeausbildung entwickelt und umgesetzt werden. Nach einer umfangreichen Analyse wurden im UKE Strukturen geschaffen, um Potenziale zu ermitteln und anzugehen. So konnten viele Angebote geschaffen werden: die Begleitung durch Praxispat:innen, die Einrichtung einer Beratungsstelle und die Erstellung zielgruppenspezifischer Informationsmaterialien, um nur einige zu nennen.

Reaktion auf verändertes Lernverhalten

Im Projektverlauf wurde deutlich, dass sich das Lernverhalten und die Bedürfnisse verändert haben und neue Angebote geschaffen werden müssen, um die Kolleg:innen von morgen noch besser durch die Ausbildung zu begleiten und für die Arbeit zu stärken.

Einen ganz anderen Fokus hat das Projekt „Diagnose INside“. Es unterstützt Führungskräfte darin, die Gesundheit der Mitarbeiter:innen im Blick zu behalten und frühzeitig zu erkennen, wenn die Belastungen steigen. Mit der Entwicklung einer übergeordneten Analysesystematik werden negative Beanspruchungen im Team in einem Dashboard sichtbar gemacht. Neben dem Anzeigen von „red flags“ bietet das Tool auch eine Weiterleitung an die vielen Anlaufstellen und Hinweise auf Angebote und Maßnahmen im UKE. Damit bedient das Projekt gleich mehrere wichtige Bedarfe: Es sensibilisiert Leitungen für „weiche“ Kennzahlen, bündelt vielfältige Angebote und platziert das Thema Mitarbeitendenzufriedenheit prominent in einer „Business Intelligenz Lösung“.

All diese Projekte verfolgen das gleiche Ziel: eine Verbesserung der Mitarbeiter:innenzufriedenheit und -gesundheit, um auch in Zukunft eine gute Patient:innenversorgung gewährleisten zu können. Und es geht weiter: mit der Techniker Krankenkassen sollen bis 2027 drei weitere Projekte am UKE umgesetzt werden. Wie es der Paragraf 20 SGB V vorsieht, fließen die Mittel in den Aufbau und die Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen in Krankenhäusern. Im Fokus stehen dann unter anderem die Gesundheit der internationalen Pflegefachpersonen, Potenziale, die in der Generationenvielfalt schlummern, sowie die Fokussierung interner Zeitfresser. Die Themen für eine wirklich beschäftigtenorientierte Personalpolitik werden in solche schnelllebigen Zeiten zum Glück und mit Sicherheit nie ausgehen.

Ute Düvelius leitet die Abteilung Personalgewinnung und- bindung im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Eva Lampmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin.