Mehr Personal in der Psychiatrie verbessert den Behandlungserfolg. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass psychiatrische und psychosomatische Kliniken ab 2026 Vergütungsabschläge hinnehmen müssen, wenn sie die gesetzlichen Mindestpersonalgrenzen nicht einhalten, urteilte das Bundessozialgericht.
Kassel (epd). Psychiatrische und psychosomatische Kliniken müssen zur Sicherung der Behandlungsqualität ausreichend mit therapeutischem Personal besetzt sein. Halten sie die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in einer Richtlinie festgelegte und regelmäßig angepasste Mindestpersonalgrenze nicht ein, müssen sie ab 2026 mit finanziellen Sanktionen in Form von Vergütungsabschlägen rechnen, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in mehreren Grundsatzurteilen am 19. Dezember 2024. Die geplanten Vergütungsabschläge seien „aufgrund der moderaten Höhe (…) verhältnismäßig“ und verfassungsgemäß, erklärten die Kasseler Richter.
Der Gesetzgeber hatte den G-BA, das oberste Beschlussgremium der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, bereits Ende 2016 damit beauftragt, verbindliche Personaluntergrenzen zur Sicherung der Behandlungsqualität in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken festzulegen. Dabei orientierte sich das Gremium zunächst an der bis Ende 2019 geltenden Psychiatrie-Personalverordnung, die erste Anhaltspunkte für die nötige personelle Ausstattung in den Kliniken liefert.
G-BA erhebt selbst Daten zur Personalplanung
Seit 2020 erhebt der G-BA selbst Daten aus den Krankenhäusern, um optimale Personaluntergrenzen festlegen zu können. Die Mindestpersonalvorgaben, so das erklärte Ziel, sollen möglichst evidenzbasiert sein und zu einer leitliniengerechten Behandlung beitragen.
Das Gremium hat schließlich für verschiedene Behandlungsbereiche und Berufsgruppen Minutenwerte pro Patientin und Patient und Woche festgelegt, aus denen sich die Mindestpersonalbesetzung für jede Einrichtung errechnet. Wird die unterschritten, sollten Sanktionen folgen. Diese Vorgaben wurden in der Vergangenheit mehrfach aus- und herabgesetzt.
Die zunächst zweieinhalbmal so hoch geplanten Sanktionen wurden in der aktuellen Fassung der vom G-BA erlassenen Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL) auf den mit 65 Prozent angesetzten Personalkostenanteil der psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken begrenzt. Berechnungsmaßstab ist der Anteil des fehlenden Personals. Der Beginn der möglichen Sanktionen wurde nochmals bis Ende 2025 ausgesetzt. Im Jahr 2026 müssen die Mindestvorgaben dann zunächst zu 90 Prozent, ab 2027 zu 95 Prozent und erst ab 2029 vollständig erfüllt sein.
Kläger: Können Vorgaben wegen Personalnot nicht erfüllen
Die klagenden Krankenhausträger zogen jedoch gegen die PPP-RL vor Gericht. Sie könnten die dort festgelegten Mindeststandards schlicht nicht erfüllen, weil sie wegen des Fachkräftemangels kein Personal fänden, lautet ihre Begründung.
Doch das Vorgehen des G-BA ist rechtmäßig, urteilte nun das BSG. Ab dem Jahr 2026 müssen psychiatrische und psychosomatische Kliniken mit Vergütungsabschlägen rechnen, wenn sie die Mindestgrenze für das therapeutische Personal nicht einhalten. Der G-BA habe die ermittelten Minutenwerte „nachvollziehbar begründet“.
Es sei unumstritten, dass in der Psychiatrie und der Psychosomatik mehr Personal zu besseren Therapieerfolgen führe. Der vom G-BA als Orientierungsmaßstab für die Personaluntergrenzen herangezogene und Ende 2019 außer Kraft getretene Psychiatrie-Personalverordnung sei nach nahezu einhelliger Ansicht der Experten sogar eher zu niedrig, befand das BSG.
Gericht: Vorgehen entspricht gesetzlichen Vorgaben
Das schrittweise Vorgehen des G-BA bei der Festlegung der Personaluntergrenzen und die geplanten Sanktionen entsprächen zudem den gesetzlichen Vorgaben und stellten kein „Leistungserbringungsverbot“ dar, erklärten die obersten Sozialrichter. Die geplanten Vergütungsabschläge würden erst nach einer Übergangszeit ab 2026 greifen. Die Einkommenseinbußen seien moderat und verhältnismäßig. Die psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken hätten zudem ausreichend Zeit, sich auf die Mindestpersonalgrenzen einzustellen.
Den Krankenhausträgern bleiben als Folge der BSG-Urteile damit mehrere Möglichkeiten. Wenn sie nicht genügend Personal finden, müssen sie entweder die Einrichtung ganz oder teilweise schließen. Sie können aber auch die Sanktionen in Kauf nehmen oder die Arbeitsbedingungen so verbessern, dass mehr therapeutisches Personal gewonnen werden kann. Zwei der sechs klagenden Krankenhausträger haben nach der Urteilsverkündung im Leitfall ihre Revisionen zurückgenommen.
Inwieweit die BSG-Urteile auch Auswirkungen auf die Personaluntergrenzen in nichtpsychiatrischen Kliniken haben, ist noch unklar. Im Juli 2025 wollen die obersten Sozialrichter über die für alle Kliniken geltenden „Pflegepersonal-Untergrenzen-Verordnung“ des Bundesgesundheitsministeriums entscheiden.
Az.: B 1 KR 19/23 R und weitere