
In einem anderen EU-Staat anerkannte Flüchtlinge können sich nach ihrem erneuten Asylantrag in Deutschland nur schwer gegen ihre Abschiebung wehren. Sie müssen schon gut begründen, warum ihnen erniedrigende oder unmenschliche Behandlung droht, forderte das Bundesverfassungsgericht.
Karlsruhe (epd). Flüchtlinge müssen weiterhin mit ihrer Abschiebung in ihr europäisches Erstaufnahmeland rechnen, selbst wenn sie dort zeitweise ihren Lebensunterhalt nur mit einer tolerierten Schwarzarbeit sichern und Obdach in einer Behelfsunterkunft finden können. Mehrere Urteile des Bundesverwaltungsgerichts liegen dazu vor. Ob diese Rechtsprechung verfassungswidrig ist und zu einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung des Flüchtlings führt, konnte das Bundesverfassungsgericht in einem am 10. April veröffentlichten Beschluss nicht entscheiden. Die Verfassungsbeschwerde des in Griechenland als Flüchtling anerkannten Afghanen sei unzureichend begründet worden, begründeten die Karlsruher Richter.
Hat ein Flüchtling in einem anderen EU-Mitgliedstaat Schutz gefunden, ist sein erneuter Asylantrag in Deutschland unzulässig. Deutschland hat dann regelmäßig sechs Monate Zeit, den Flüchtling wieder in den Erstaufnahmestaat zurückzuführen. Gelingt dies nicht, muss es über den Asylantrag entscheiden. Eine Rückführung ist nicht erlaubt, wenn den Flüchtlingen eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung droht. Das sei in Ländern wie Griechenland oder Italien aber oft der Fall, kritisierten Hilfsorganisationen. So moniert etwa Pro Asyl, dass anerkannte Flüchtlinge in Griechenland meist in elenden Verhältnissen leben müssten und an bürokratischen Hürden scheitern. So erhielten sie oft erst nach Monaten eine Sozialversicherungsnummer. Erst dann sei eine legale Beschäftigung, der Bezug von Sozialleistungen, der Zugang zur Gesundheitsversorgung oder die Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft möglich, so Pro Asyl.
Schwarzarbeit steht Abschiebung nicht entgegen
In dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall wollte der Afghane, dem in Griechenland internationaler Schutz gewährt worden war, der Verelendung entfliehen. Er reiste nach Deutschland. Sein Asylantrag wurde als unzulässig abgelehnt. Ihm wurde die Abschiebung angedroht. Das Verwaltungsgericht Berlin hielt dies für rechtmäßig. Er sei im Besitz einer griechischen Aufenthaltserlaubnis. Es sei daher wahrscheinlich, dass er nicht obdachlos werde. Obdachlosigkeit sei in Griechenland bei anerkannten Schutzberechtigten „kein augenscheinliches Massenphänomen“. Der Afghane könne auch seinen Lebensunterhalt zumindest zeitweise durch Schwarzarbeit sichern. Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe daher nicht.
Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wies das Bundesverfassungsgericht als unzulässig zurück. Der Flüchtling habe sich nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend befasst, wonach auch eine illegale Beschäftigung zur Sicherung des Lebensunterhalts zumutbar sein könne, „solange sich der Betreffende damit nicht der ernstlichen Gefahr der Strafverfolgung aussetzt“.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte am 21. November 2024 zur Abschiebung von alleinstehenden, erwachsenen und gesunden Flüchtlingen nach Italien geurteilt, dass diese ihr wirtschaftliches Existenzminimum auch durch Arbeit im Bereich der Schatten- oder Nischenwirtschaft sichern könnten. Damit sei auch Schwarzarbeit zumindest zeitweise zumutbar, wenn der Flüchtling keine Sanktionen zu befürchten habe.
Behelfsunterkünfte reichen als Obdach
Die Verfassungsrichter kamen im aktuellen Fall auch zu dem Schluss, es sei nicht ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Griechenland Obdachlosigkeit drohe. Das Bundesverwaltungsgericht hatte es für zumutbar gehalten, dass ein Flüchtling in einer Behelfsunterkunft Obdach findet. Warum dies gegen die EU-Grundrechte-Charta verstoße und der Afghane in seinen Rechten verletzt sei, habe er nicht dargelegt.
Zur Flüchtlingssituation in Italien hat das Bundesverwaltungsgericht am 19. Dezember 2024 geurteilt, dass selbst bei einer dort als Flüchtling anerkannten alleinerziehenden Mutter eines Grundschulkinds und eines Kinds unter drei Jahren eine Abschiebung zulässig sei. Die elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Ernährung und Hygiene könnten gedeckt werden. Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe damit nicht.
Diese liegt nach einem Urteil der obersten Verwaltungsrichter vom 20. Januar 2022 auch dann nicht vor, wenn im Erstaufnahmestaat - hier Ungarn - staatliche Hilfe kaum zu erwarten ist, dafür aber nichtstaatliche oder kirchliche Organisationen die Flüchtlinge mit Hilfen nicht im Stich lassen. Werde so „eine Situation extremer materieller Not“ verhindert, sei den Betroffenen die Rückführung zuzumuten. Das Bundesverwaltungsgericht folgte damit dem Europäischen Gerichtshof, der am 7. September 2021 ähnlich geurteilt hatte.
Az.: 2 BvR 1425/24 (Bundesverfassungsgericht)
Az.: 1 C 24.23 (Bundesverwaltungsgericht Schwarzarbeit)
Az.: 1 C 3.24 (Bundesverwaltungsgericht Italien)
Az.: 1 C 3.21 (Bundesverwaltungsgericht Hilfsorganisationen)