Kindergeldauszahlung nur in Grenzen direkt an volljähriges Kind
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Justitia auf dem Römerberg in Frankfurt am Main
München (epd).

Das an einen kindergeldberechtigten Elternteil überwiesene Kindergeld ist zunächst für den Unterhalt der Kinder da. Dennoch können sich noch in der Ausbildung befindliche volljährige Kinder das Kindergeld nicht ohne weiteres an sich selbst auszahlen lassen, stellte der Bundesfinanzhof (BFH) in einem am 17. April veröffentlichten Urteil klar. Seien die Kinder wegen eigenen Einkommens nicht mehr unterhaltsbedürftig, könne der kindergeldberechtigte Elternteil das an ihn ausgezahlte Kindergeld zur „Förderung der Familie“ einsetzen, erklärten die Münchener Richter.

Damit bekam eine Mutter von drei Kindern aus Bayern recht. Ein volljähriger Sohn ging einem dualen Studium nach und erzielte aus seiner dabei anfallenden Berufstätigkeit ein Einkommen. Zusätzlich erhielt er ein steuerfreies Stipendium. Seine Einkünfte waren so hoch, dass er selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen konnte. Dennoch wollte er das an seine Mutter ausgezahlte Kindergeld selbst erhalten.

Familienkasse zahlte Geld an Sohn aus

Die Familienkasse stimmte dem Antrag des Sohnes zu und zahlte das Kindergeld an ihn aus. Daraufhin zog die Mutter vor Gericht und verlangte weiterhin das Kindergeld für sich. Der BFH urteilte nun, dass der Mutter das Kindergeld zusteht. Eine direkte Auszahlung des Kindergeldes an das Kind ist nur möglich, wenn der Kindergeldberechtigte - in der Regel ein Elternteil - seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht oder nur teilweise nachkommt. Denn auch wenn dieser das Kindergeld erhält, muss er es vorrangig zur Sicherung des Kinderexistenzminimums verwenden, so die obersten Finanzrichter.

Im konkreten Fall war die klagende Mutter jedoch gar nicht mehr zum Unterhalt verpflichtet. Denn ihr volljähriger Sohn, der sich noch in der Ausbildung befand, verfügte bereits über ausreichende Einkünfte. In diesem Fall trete der Zweck des Kindergelds, die Sicherung des Kinderexistenzminimums, in den Hintergrund. Vorrangig sei dann der weitere gesetzliche Zweck des Kindergeldes, nämlich die Familie zu fördern. Der kindergeldberechtigte Elternteil kann das Geld dann etwa für die Ausübung des Umgangsrechts oder auch für Geschenke verwenden.

Schwierige Aufteilung im Wechselmodell

Streit um das Kindergeld gibt es immer wieder auch bei getrennt lebenden Eltern, die das gemeinsame Kind im paritätischen Wechselmodell zu gleichen Teilen betreuen. Denn trotz hälftiger Betreuung können die Eltern nicht von einer hälftigen Teilung von Kindergeld und Betreuungskosten ausgehen, wie der BFH am 10. Juli 2024 urteilte. Regelmäßig stehen nur einem Elternteil das Kindergeld und der sogenannte Entlastungsbetrag für Alleinerziehende zu. Allerdings können die Eltern eine bindende Aufteilung des Kindergeldes zivilrechtlich schriftlich festlegen.

Kommt eine Einigung nicht zustande, hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe mit Beschluss vom 20. April 2016 die Aufteilung festgelegt. Demnach ist das Kindergeld zu 50 Prozent in Betreuungs- und zu 50 Prozent in Barunterhalt aufzuteilen. Der Betreuungsunterhalt steht beiden Elternteilen unabhängig vom Einkommen zu gleichen Teilen zu. Der Elternteil im Wechselmodell, der das Kindergeld erhält, muss dem Ex-Partner dann dessen Anteil am Betreuungsunterhalt zahlen, also ein Viertel des Kindergelds. Beim Barunterhalt wird das Kindergeld hingegen nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und den Einkünften der Eltern aufgeteilt.

Kann ein Kind wegen einer Behinderung seinen notwendigen Lebensbedarf mangels eigenem Einkommens nicht selbst decken, kann auch über das 25. Lebensjahr hinaus Kindergeld gezahlt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Behinderung vor dem 25. Geburtstag festgestellt wurde.

Sonderfall bei Beschädigtengrundrente

Nach einem BFH-Urteil vom 20. April 2023 sind allerdings nicht jegliche Einkünfte eines volljährigen behinderten Kindes als Einkommen anzurechnen. So spielt etwa eine Beschädigtengrundrente für Gewaltopfer bei der Prüfung des Kindergeldanspruchs keine Rolle. Denn diese Grundrente soll vor allem „den immateriellen Schaden abdecken, den das Opfer durch die Gewalttat erlitten hat“. Sie sei nicht als Zahlung für den Lebensunterhalt gedacht. Daher darf die Familienkasse diese nicht als Einkommen des Kindes anrechnen.

Möchten Eltern für ihr 25 Jahre altes behindertes Kind weiter Kindergeld erhalten, müssen sie die Behinderung gegenüber der Familienkasse nachweisen. Nach einem Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 12. Oktober 2023 ist allerdings nicht zwingend die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises oder ein ärztliches Gutachten erforderlich. Auch ärztliche Bescheinigungen über dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigungen können ausreichen. Denn der Nachweis einer Behinderung ist dem Finanzgericht zufolge gesetzlich nicht geregelt. Im Zweifel muss ein Gericht entscheiden, ob der von den Eltern vorgelegte Nachweis ausreicht.

Az.: III R 10/24 (Bundesfinanzhof, Kindergeld, Volljährigkeit, Abzweigung)

Az.: III R 1/22 (Bundesfinanzhof, Wechselmodell)

Az.: XII ZB 45/15 (Bundesgerichtshof)

Az.: III R 7/21 (Bundesfinanzhof, Behinderung)

Az.: 1 K 121/22 (Finanzgericht Hamburg)

Frank Leth