Gleiche Arbeit heißt nicht immer gleicher Lohn
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Justitia auf dem Römerberg in Frankfurt am Main

Arbeitnehmer müssen für die gleiche Arbeit nicht zwingend gleich bezahlt werden. Arbeitgeber können sich auf die Vertragsfreiheit berufen, dürfen aber nicht willkürlich einzelne Mitarbeitende schlechter bezahlen als ihre Kolleginnen und Kollegen, urteilte das Landesarbeitsgericht Rostock.

Rostock (epd). Gleiche Arbeit muss dem Urteil zufolge nicht gleich bezahlt werden. Verdient eine neu eingestellte Arbeitnehmerin mehr als ihr Kollege, der die gleichen Aufgaben hat, muss das noch nicht gegen den sogenannten arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern in Rostock in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 28. Januar. Demnach kann der Arbeitgeber im Rahmen seiner Vertragsfreiheit eine höhere Vergütung vereinbaren, insbesondere auch dann, wenn die neue Kollegin höhere Berufsabschlüsse mitbringt oder über mehr Berufserfahrung verfügt.

Im Streitfall war der heute 36-jährige Kläger als Personalleiter mit einem Monatsverdienst von 4.200 Euro beschäftigt. Seit dem Jahr 2021 hatte er sich mehrfach erfolglos bei seinem Arbeitgeber um eine Gehaltserhöhung bemüht.

Neuer Kollege bekam 5.800 Euro mehr im Monat

Im Dezember 2022 wurde ein weiterer Personalleiter eingestellt. Der verfügte im Gegensatz zum Kläger über ein abgeschlossenes Studium als Diplom-Ökonom sowie Berufserfahrung in einer Wirtschaftsagentur. Seine Vergütung betrug 10.000 Euro monatlich. Das Arbeitsverhältnis endete jedoch bereits nach knapp drei Monaten.

Zum 1. Juli 2023 wurde dann eine Frau als zusätzliche Personalleiterin eingestellt, ebenfalls mit einem Monatsgehalt von 10.000 Euro. Zudem erhielt sie Provisionen und einen Dienstwagen. Sie hatte ein Masterstudium abgeschlossen und in mehreren mittelständischen Unternehmen gearbeitet.

Als dem Kläger zum 31. Dezember 2024 gekündigt wurde, erhob er Kündigungsschutzklage, über die noch nicht entschieden ist. Im vorliegenden Verfahren verlangte er rückwirkend ab Oktober 2020 ebenfalls eine monatliche Vergütung in Höhe von 10.000 Euro. Die Arbeitgeberin habe gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, indem sie ihm monatlich 5.800 Euro weniger gezahlt habe als den neu eingestellten Kollegen, führte er zur Begründung an.

Hinweis auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit

Es müsse der Grundsatz „gleiche Arbeit, gleicher Lohn“ gelten. Unterschiedliche Qualifikation und Berufserfahrung spielten bei der Entlohnung nur eine untergeordnete Rolle. Innerhalb der Gruppe der Personalleiter sei er deutlich schlechter behandelt worden, befand der Kläger.

Das LAG wies die Klage auf höhere Vergütung aber ab. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe sich „regelmäßig kein Anspruch auf eine höhere Vergütung, wenn die Arbeitgeberin später eingestellten, mit gleichen Aufgaben betrauten Arbeitnehmern ein deutlich höheres Gehalt zahlt als einem zuvor eingestellten Arbeitnehmer“. Das gelte insbesondere dann, wenn die hinzukommenden Arbeitnehmer über höhere Berufsabschlüsse und mehr Berufserfahrung verfügten, so die Rostocker Richter unter Verweis auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 24. Januar 2024.

Vernünftige Gründe zwingend für unterschiedliche Bezahlung

Danach dürfe zwar ein einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer vergleichbaren Gruppe bei der Vergütung nicht willkürlich schlechter gestellt werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstiger einleuchtender Grund für die unterschiedliche Bezahlung nicht finden lasse.

Im konkreten Fall, so das LAG, habe es jedoch einen sachlichen Grund für die höhere Vergütung des neu eingestellten Mannes und der Frau gegeben. Beide hätten im Gegensatz zum Kläger über einen Universitätsabschluss und mehr Berufserfahrung verfügt. Die Arbeitgeberin könne einen einzelnen Arbeitnehmer in zulässiger Weise begünstigen. Die Vertragsfreiheit gehe dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Dieser verbiete aber eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer. Willkürlich sei der Kläger nicht entlohnt worden.

Keine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts

Schließlich gebe es keine Indizien dafür, dass der Kläger wegen seines männlichen Geschlechts benachteiligt worden sei. Die unterschiedliche Vergütung stelle hier keine nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbotene Diskriminierung wegen des Geschlechts dar. Zwar habe die Frau deutlich mehr verdient als der Kläger. Der zunächst eingestellte männliche Arbeitnehmer habe aber genauso viel verdient wie die Frau. Das Geschlecht habe für die höhere Vergütung demnach keine Rolle gespielt, entschied das Gericht.

Das BAG hatte am 21. Januar 2021 aber auch geurteilt, dass ein Indiz für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegen kann, wenn Frauen weniger als das „mittlere Einkommen“ der Männer in gleicher Position verdienen. Kann der Arbeitgeber den Diskriminierungsvorwurf nicht entkräften, könnten betroffene Frauen ihren Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche Arbeit leichter durchsetzen, hieß es.

Az.: 5 Sla 159/24 (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern)

Az.: 4 AZR 362/22 (Bundesarbeitsgericht, Gleichbehandlung)

Az.: 8 AZR 488/19 (Bundesarbeitsgericht, Diskriminierung, Frauen)

Frank Leth