Geteilte Kindesbetreuung heißt nicht geteilte Finanzen
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Kinderhaus Matthäus

Getrennt lebende Eltern können bei der annähernd gleich aufgeteilten Kinderbetreuung nicht auch von gleich aufgeteilten Einkünften und Ausgaben des Kindes ausgehen. Wer Kindergeld und andere Freibeträge bekommt, kann aber vertraglich vereinbart werden, urteilte der Bundesfinanzhof.

München (epd). Kinder leiden oft unter der Trennung der Eltern, haben Schuldgefühle und geraten in Loyalitätskonflikte. Das paritätische Wechselmodell, bei dem Eltern die Betreuung des Kindes hälftig teilen, soll eine möglichst gleichberechtigte Beziehung des Kindes zu Mutter und Vater garantieren. Doch auch bei einer hälftigen Betreuung des Kindes geht damit nicht automatisch auch eine hälftige Teilung der Einkünfte und Ausgaben zwischen den getrennt lebenden Elternteilen einher, stellte der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am 10. Oktober veröffentlichten Urteil klar.

So sehen die gesetzlichen Bestimmungen die Auszahlung des Kindergeldes und die Berücksichtigung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende nur für einen Elternteil vor, befand der BFH. Andere Regelungen müssten ausdrücklich - am besten schriftlich - zwischen den Eltern vereinbart werden. Nach den gesetzlichen Bestimmungen erhalte der Elternteil das Kindergeld ausgezahlt, bei dem das Kind gemeldet ist. Die Eltern müssten sich dann über die exakte Aufteilung dieses Geldes einigen.

BGH legte Grundlagen zur Teilung des Kindergeldes fest

Für den Fall einer fehlenden Absprache hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Beschluss vom 20. April 2016 Regeln zur Aufteilung des Kindergeldes bestimmt. Die Karlsruher Richter haben dabei das Kindergeld gesplittet. Danach wird eine Hälfte dem Betreuungs- und die andere Hälfte dem Barunterhalt zugerechnet. Der Betreuungsunterhalt steht laut BGH beiden Elternteilen unabhängig vom Einkommen zu gleichen Teilen zu. Der Elternteil im Wechselmodell, der das Kindergeld erhält, muss dann dem Ex-Partner dessen Anteil am Betreuungsunterhalt geben, also ein Viertel der Summe. Beim Barunterhalt wird das Kindergeld hingegen nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und den Einkünften der Eltern aufgeteilt.

Im aktuellen, vom BFH entschiedenen Fall war der aus Thüringen kommende und getrennt lebende Vater eines Kindes bei den Einkünften und Ausgaben von einer fairen Aufteilung mit der Kindesmutter ausgegangen. Sowohl er als auch seine Ex-Partnerin wollten die Betreuung des gemeinsamen Kindes im paritätischen Wechselmodell ausüben. Eine Woche war das Kind beim Vater, die darauffolgende Woche wieder bei der Mutter. Der Vater führte an, dass er sich mit der Mutter darauf geeinigt habe, dass sie das Kindergeld bekommt und sie dafür im Gegenzug die vollen Kitakosten übernimmt.

Kläger scheiterte mit seiner Steuererklärung

In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 machte er für vier Monate den hälftigen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende geltend. Der Freibetrag, der das zu versteuernde Einkommen mindert, betrug 2015 insgesamt 1.908 Euro (2024 insgesamt 4.260 Euro) Alleinerziehende können ihn beanspruchen, wenn das Kind im eigenen Haushalt lebt und der betreffende Elternteil Anspruch auf Kindergeld oder den Kinderfreibetrag hat. Der Kläger beantragte zudem den auf ihn entfallenden Kinderfreibetrag sowie die Berücksichtigung der hälftigen Kitakosten als Sonderausgaben in Höhe von 690 Euro.

Doch der Mann hatte vor dem BFH keinen Erfolg. Nach den allgemeinen Grundsätzen könnten Sonderausgaben nur bei demjenigen steuermindernd berücksichtigt werden, der sie getragen hat - und das sei hier die Kindesmutter. Sie habe die Kitakosten alleine überwiesen. Der Kläger habe auch nicht nachgewiesen, dass er die Kitakosten seiner Ex-Partnerin zumindest teilweise erstattet hat. Allein die Überlassung des Kindergeldes sei noch kein Beleg dafür. Eine Vereinbarung mit der Mutter über die Aufteilung der Kosten habe der Kläger ebenfalls nicht vorlegen können.

Entlastungsbetrag nur für einen Elternteil

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende stehe aus Gründen der Steuervereinfachung auch im Wechselmodell nur einem Elternteil zu. Das sei regelmäßig derjenige, der das Kindergeld erhält, also ebenfalls die Mutter. Zivilrechtlich könnten Eltern sich aber darauf verständigen, wer das Kindergeld und wer den Entlastungsbetrag erhält. Daran fehle es im Streitfall, so der BFH.

Schließlich könne der Kläger auch nicht den einfachen Kinderfreibetrag beanspruchen. Die steuerlichen Freibeträge für Kinder seien zwar teilbar, seien hier mit dem an die Mutter ausgezahlten Kindergeld aber bereits abgegolten.

Getrennt lebende Eltern können auch kein Gesetz verlangen, dass ihnen das Recht auf ein paritätisches Wechselmodell einräumt, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Beschluss vom 22. Januar 2018. Weder aus dem Grundgesetz noch aus der UN-Kinderrechtskonvention ergebe sich, dass getrennt lebenden Eltern eine paritätische Betreuung zustehen müsse. Der Gesetzgeber müsse das nicht als Regelfall vorschreiben. Das paritätische Wechselmodell könne erst recht nicht verlangt werden, wenn das Verhältnis zwischen den Eltern „hoch strittig“ und damit das Kindeswohl gefährdet ist.

Az.: III R 1/22 (Bundesfinanzhof)

Az.: XII ZB 45/15 (Bundesgerichtshof Aufteilung Kindergeld)

Az.: 1 BvR 2616/17 (Bundesverfassungsgericht)

Frank Leth