
Die Zahlung einer Aufwandspauschale für Ehrenamtliche ist kein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt. Das gilt auch dann, wenn sie im Jahr über der steuerlichen Ehrenamtspauschale liegt, urteilte das Hessische Landessozialgericht.
Darmstadt (epd). Die Deutsche Rentenversicherung darf bei der Prüfung eines beitragspflichtigen Arbeitsentgelts bei ehrenamtlich Tätigen keinen zu strengen Maßstab anlegen. Zahlt ein gemeinnütziger Verein seinen Ehrenamtlern fünf Euro pro Stunde als pauschale Aufwandsentschädigung, dann liegt kein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt vor, entschied das Hessische Landessozialgericht (LSG) in einem am 25. Februar bekanntgegebenen Urteil. Die Darmstädter Richter ließen die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu.
Im konkreten Fall ging es um das von einem gemeinnützigen Verein betriebene Liebig-Museum in Gießen. Von Januar 2015 bis Ende 2018 waren vier Museumsmitarbeiter ehrenamtlich an der Kasse und am Einlass tätig. Für ihr Engagement erhielten sie pauschal fünf Euro pro Stunde als Aufwandsentschädigung für Fahrtkosten und Verpflegung. Bei einer sechsstündigen Öffnungszeit konnte ein Mitarbeiter so bis zu 30 Euro täglich erhalten. Die Museumsmitarbeiter bekamen damit so viel, dass sie die steuerliche sogenannte Ehrenamtspauschale in Höhe von 720 Euro jährlich (ab 2021 jährlich 840 Euro) überschritten haben.
Gepfefferte Nachzahlungsforderung
Als die Rentenversicherung eine Betriebsprüfung vornahm, wertete sie die Beträge, die über dem steuerlichen Freibetrag lagen, als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt. Für die Beitragspflicht seien auch nicht die fünf Euro pro Stunde zugrundezulegen, sondern der gesetzliche Mindestlohn, den der Verein hätte bezahlen müssen. Dieser habe bis Ende 2016 8,50 Euro und danach bis Ende Dezember 2018 8,84 Euro pro Stunde betragen. Der Verein müsse daher 12.832 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen nachzahlen.
Das LSG urteilte jedoch, dass kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt vorgelegen habe. Vielmehr seien die Mitarbeiter einer beitragsfreien, unentgeltlichen ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen. Sie seien zwar ähnlich wie Arbeitnehmer weisungsgebunden und in die Arbeitsabläufe eingebunden gewesen. Allerdings hätten sie aus „ganz überwiegend altruistischen“ Motiven gehandelt. Entscheidend sei, dass die Aufwandspauschale nur die Fahrtkosten und die Verpflegung abdeckt. Mit fünf Euro pro Stunde liege diese erheblich unter dem Mindestlohn und sei offensichtlich keine Gegenleistung für die ausgeübte Tätigkeit. Die Aufwandspauschale habe auch nicht dazu gedient, „unter dem Deckmantel der Ehrenamtlichkeit“ eine Sozialversicherungspflicht zu umgehen. Dass die Zahlungen über die steuerrechtliche Ehrenamtspauschale hinausgingen, sei unbeachtlich.
Auch Verwaltungsaufgaben im Ehrenamt erlaubt
Selbst wenn ehrenamtliche Mitarbeiter neben Repräsentationspflichten auch Verwaltungsaufgaben nachgehen und hierfür eine Aufwandsentschädigung erhalten, muss deshalb noch keine Sozialversicherungspflicht bestehen, urteilte am 16. August 2017 das BSG im Fall der Kreishandwerkerschaft Nordfriesland-Süd. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Handwerksinnungen, der von einem gewählten ehrenamtlichen Kreishandwerksmeister geleitet wird. Die Rentenversicherung müsse bei der Prüfung der Beitragspflicht auch den ideellen, gemeinnützigen Zweck des Ehrenamts in den Blick nehmen, forderte das BSG.
Im Streitfall hatte der gewählte ehrenamtliche Kreishandwerksmeister, der gegenüber der Öffentlichkeit die Handwerksinnungen repräsentiert, eine jährlich pauschale Aufwandsentschädigung in Höhe von 6.500 Euro erhalten. Die Rentenversicherung verlangte daraufhin für mehrere Jahre insgesamt 2.600 Euro an Beiträgen nach, da der Mann wie ein Arbeitnehmer auch Verwaltungsaufgaben übernommen hatte.
Doch dieser habe mit seinem Ehrenamt keine Erwerbsabsicht verfolgt, urteilte das BSG. Er dürfe Verwaltungsaufgaben nachgehen, wenn diese unmittelbar mit dem Ehrenamt verbunden seien.
Unfallschutz bei Veranstaltungen
Ein Ehrenamt bringt nicht nur Ehre, sondern wird auch mit einem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz belohnt. So urteilte das BSG am 8. Dezember 2022, dass Vereinsmitglieder eines Chors beim Adventssingen in einer Kirchengemeinde unter dem Schutz der Unfallversicherung stehen.
Zwar stehe allein die Ausübung eines Hobbys nicht unter Versicherungsschutz. Anderes gelte aber, wenn es sich um eine kirchliche Veranstaltung handele, auch wenn der Chor privatrechtlich organisiert sei. Im Streitfall sei das Adventssingen mit Einverständnis der Kirchengemeinde erfolgt und im lokalen Amtsblatt unter „Kirchliche Nachrichten“ angekündigt worden. Das Adventssingen fand ehrenamtlich und unentgeltlich statt, so dass die Klägerin, die auf dem Weg zu der Veranstaltung einen schweren Autounfall erlitten hatte, unter Versicherungsschutz stehe.
Az.: L 1 BA 64/23 (LSG Darmstadt)
Az.: B 12 KR 14/16 R (Bundessozialgericht zur Kreishandwerkerschaft)
Az.: B 2 U 19/20 R (Bundessozialgericht zum Chor)