Wenn das Warten auf den Integrationskurs noch länger dauert
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Integrationskurse helfen beim Ankommen in Deutschland

Der Weg von Geflüchteten in Jobs könnte noch länger werden, wenn der Bund die Gelder für die Integrations- und Berufssprachkurse für 2025 wirklich halbiert. Nach dem Aus der Ampel liegen die Haushaltsberatungen erst mal auf Eis. Aber Kürzungen im Etat hätten drastische Folgen: 180.000 Personen könnten keinen Kurs beginnen, die Wartezeit stiege deutlich an.

Berlin (epd). Zu den im Raum stehenden Kürzungen bei der Finanzierung der Integrations- und Sprachkurse findet Kajetan Tadrowski klare Worte: „Der neue Kurs der Bundesregierung erscheint wenig nachhaltig und ist auf längere Sicht absolut kontraproduktiv. Integration wird durch die Mittelkürzungen erschwert“, beklagt der Leiter des DRK Sprach- und Bildungszentrums Frankfurt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Solch massive Einschnitte machten eine belastbare Kurs- und Angebotsplanung für 2025 faktisch unmöglich. Und: „Die Integration von Zugewanderten wird verzögert“, rügt Tadrowski.

Die bisherigen Mittel im Bundeshaushalt von jährlich mehr als eine Milliarde Euro für die Kursangebote stehen auf der Kippe. Der Bund will den Betrag angesichts leerer Kassen für 2025 um die Hälfte kürzen. Kritik daran ist überall zu hören.

„Merkwürdiges Verständnis von Integrationspolitik“

Sascha Rex, Leiter der Stabsstelle Grundsatz und Verbandsentwicklung beim Deutschen Volkshochschul-Verband, attestiert der Regierung ein „sehr merkwürdiges Verständnis von Integrationspolitik“. Die Kürzungen führten dazu, dass rund 180.000 Personen 2025 keinen Kurs beginnen könnten. „Die aktuell durchschnittlichen Wartezeiten von einem halben Jahr werden sich dann für diese Personen um ein Jahr auf dann rund 1,5 Jahre verlängern“, sagt Rex dem epd. Das geplante Aus für die Finanzierung von derzeit bis zu 300 Wiederholungsstunden für durch die Prüfung gefallenen Teilnehmer sei „genau das falsche Signal“.

Die Integrationskurse dauern in der Regel neun Monate. Sie bestehen aus 600 Stunden Deutschunterricht und 100 Stunden „Orientierungskurs“, in dem die Teilnehmenden ihre neue Heimat näher kennenlernen - samt den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung und Religionsfreiheit. Im vergangenen Jahr haben 360.000 Menschen ihren Integrationskurs begonnen - so viele wie noch nie. Für 2024 wird mit einem ähnlichen Aufkommen gerechnet, Daten dazu gibt es noch nicht.

Noch ist offen, wie viel Geld wegfällt

Ob es tatsächlich zu dem beschriebenen Sparkurs kommt, ist derzeit noch offen. Im Bundesinnenministerium heißt es auf Anfrage: „In Bezug auf die Integrationskurse sind die finanziellen Bedarfe für das kommende Jahr aktuell noch nicht bezifferbar und weiter zu prüfen. Die Bundesregierung hat sich deshalb darauf verständigt, die konkrete finanzielle Ausstattung des Integrationskursbereichs im Zuge der parlamentarischen Beratungen zum Haushalt 2025 zu bestimmen.“ Das heißt, die Entscheidung fällt in Zuge der Haushaltsbereinigung, deren Termin jedoch offen ist.

Birgit Leyendecker, stellvertretende Vorsitzende des Sachverständigenrates für Integration und Migration (SVR), sagt dazu: „Sprach- und Integrationskurse sind eine wichtige Brücke zur sprachlichen, ökonomischen und nicht zuletzt zur sozialen Integration.“ Sie hätten sich als das zentrale staatliche Angebot bewährt, um zugewanderte Menschen möglichst rasch in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft zu integrieren. Diplomatisch formuliert sie im Gespräch mit dem epd: „Aus integrationspolitischen Gründen und auch mit Blick auf die Interessen des Arbeitsmarkts spricht daher vieles dafür, dass Deutschland sein bewährtes Programm an Integrationskursen aufrechterhält und für die steigende Nachfrage noch ausweitet.“ Die erreichten Erfolge sollte man nicht aufs Spiel setzen. Integrationsmaßnahmen seien eine Investition in die Zukunft.

OECD lobt sprachliche Qualifizierung

Das bestätigt auch eine Studie der OECD: Mit seinem Modell der dem Arbeitseinstieg vorgelagerten sprachlichen Qualifizierung sei Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten sehr erfolgreich. Danach erreichte 2022 die Erwerbstätigenquote von im Ausland geborenen Migrantinnen und Migranten ein Niveau von 70 Prozent und war damit höher als in den meisten anderen EU-Vergleichsländern. Und: Die Studie zeigt, dass sich die Sprachkenntnisse Eingewanderter in Deutschland stärker verbessert haben als in den meisten anderen Ländern.

„Es ist davon auszugehen, dass eine Reduzierung des Angebots die Arbeitsmarktchancen von Migranten und Migrantinnen in Deutschland unmittelbar verschlechtern wird und dadurch vermeidbare neue Kosten entstehen“, sagt auch Niklas Harder, Co-Leiter der Abteilung Integration am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).

Studie: Jobchancen nach Kursen deutlich besser

Er habe zusammen mit Kollegen vom Immigration Policy Lab und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die Wirkung von Integrationskursen und Sprachkursen in den Jahren 2015 und 2016 untersucht. Die demnächst erscheinenden Studie zeige, dass die Teilnahme an einem Integrationskurs die Chancen auf dem Arbeitsmarkt deutlich verbessert. „Unter den von uns untersuchten Geflüchteten, die an einem Integrationskurs teilnahmen, lag die Beschäftigungsquote zwölf Monate nach Beginn der etwa sechsmonatigen Integrationskurse um 4,4 Prozentpunkte höher als bei Geflüchteten, die nicht daran teilnahmen. Dieser Unterschied steige in den Folgemonaten noch weiter an. “Darum sollten die Kapazitäten bewährter, bestehender Programme nicht leichtfertig reduziert werden, da sich die kurzfristige Schaffung von neuen Kapazitäten als schwierig erweisen wird."

„Wir riskieren lange Wartezeiten, den Abbau essenzieller Strukturen und den Verlust qualifizierter Fachkräfte. Einmal verlorene Kapazitäten lassen sich nur schwer wiederherstellen“, sagt Ellen Jacob, Bundesgeschäftsführerin des Verbands Deutscher Privatschulverbände. Für Bildungsträger und Kursleitende bedeute die Unterfinanzierung ein wirtschaftliches Risiko, weil sie durch den möglichen Abbau von Strukturen in eine kritische Lage geraten könnten. Ein flächendeckendes Kursangebot ließe sich so langfristig nicht mehr sicherstellen, so Jacob.

Sascha Rex verweist auf die von der Bundesregierung selbst bezifferten Bedarfe bei den Integrationskursen. Damit die im nächsten Jahr angeboten werden könnten, seien nach eigenen Berechnungen mindestens weitere 600 Millionen Euro notwendig. „Für die Berufssprachkurse ist mindestens eine Verdopplung der Gelder auf 620 Millionen Euro notwendig. Insgesamt benötigen Integrations- und Berufssprachkurse also rund 910 Millionen Euro zusätzlich.“

Viele Zuwanderer haben Rechtsanspruch auf Kurse

Und er betont: „Nach unserem Rechtsverständnis haben die meisten Zugewanderten einen Rechtsanspruch auf eine Teilnahme am Integrationskurs. Das ist im Aufenthaltsgesetz geregelt. Wenn die Bundesregierung das Kernelement deutscher Integrationspolitik unterfinanziert, dann ist das rechtlich bedenklich.“

Doch nicht nur für die Migrantinnen und Migranten, die deutlich länger auf Kurse warten müssten, haben die Kürzungen im Budget erhebliche Folgen. Auch die Träger der Schulungen müssten reagieren, sagt DRK-Mann Tadrowski: „Kurzfristig wären geplante Aufstockungen der Arbeitszeit bei Kursleitern nicht möglich und befristete Verträge würden nicht verlängert werden.“ Es drohen Jobverluste: „Mittelfristig würden Stellen nicht nachbesetzt oder neu ausgeschrieben.“

Dirk Baas