Studie: Frühe Hilfen kommen bei armen Familien an
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Hebamme untersucht einen Säugling

Eine neue Studie belegt, dass die speziellen Unterstützungsangebote für junge Familien - die sogenannten Frühen Hilfen - sich gut etabliert haben. Die Forschenden weisen nach, dass die Förderung mehr Familien in Armutslagen erreicht. Fachleute fordern eine Aufstockung der finanziellen Förderung.

Berlin (epd). Die Versorgung psychosozial belasteter Familien mit kleinen Kindern im Alter von bis zu drei Jahren hat sich einer neuen Erhebung zufolge in den vergangenen Jahren deutlich verbessert: Das zeigen die Daten des Monitorings der Bundesstiftung Frühe Hilfen. Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat das „Monitoring Frühe Hilfen - Wissenschaftlicher Bericht 2023 zur Bundesstiftung Frühe Hilfen“ jetzt in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstitut veröffentlicht.

Seit Januar 2018 übernimmt die Bundesstiftung Frühe Hilfen im Bundesfamilienministerium die Förderung der Netzwerke Frühe Hilfen und der psychosozialen Unterstützung von Familien mit Säuglingen und Kleinkindern. Sie stellt dazu nach eigenen Angaben jährlich 51 Millionen Euro zur Verfügung.

Ein Drittel der Familien mit Kleinkindern belastet

Zur Ausgangslage: Ein Drittel (33,9 Prozent) der Familien mit Kindern bis zu drei Jahren, die in einer bundesweit repräsentativen Studie 2022 befragt wurden, sah sich mit drei oder mehr Belastungsfaktoren (zum Beispiel Armut, Anzeichen einer psychischen Erkrankung, Fluchterfahrung) gleichzeitig konfrontiert. Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte erkannten bei 14 Prozent der Familien eine psychosozial bedeutsame Gesamtbelastung, die die gesunde Entwicklung des Kindes beeinträchtigen könnte.

Dazu kommt laut Vorwort der Studie, dass die Lebenssituation der Betroffenen sowie der Umgang mit Belastungen zudem im Kontext der Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine betrachtet werden müssen. „Diese Herausforderungen treffen als Multikrisen Familien in Armutslagen in besonderem Maße und verstärken soziale Ungleichheiten. Gerade hier können die Frühen Hilfen oftmals passende Unterstützung anbieten oder die Familien in andere Angebote lotsen.“

Dem neuen Monitoring zufolge war in 97 Prozent der Kommunen mit einem Jugendamt im Jahr 2020 ein Angebot der Längerfristigen aufsuchenden Betreuung und Begleitung (LaB) von Familien durch Fachkräfte wie etwa Familienhebammen, vorhanden. 2015 lag dieser Wert noch bei 87,9 Prozent. 14,5 Prozent der Familien, die in Armut leben, haben die LaB durch eine Gesundheitsfachkraft genutzt. Damit wurden unter dem Strich bedürftige Familien häufiger erreicht als besser situierte Familien ohne (9,5 Prozent).

Hinweis auf regionale Unterschiede bei Fachkräften

Weiter ist der Studie zu entnehmen, dass im Jahr 2020 in 58,8 Prozent der Kommunen frauenärztliche Praxen und in 85,6 Prozent der Kommunen kinderärztliche Praxen in die Netzwerke Frühe Hilfen eingebunden werden. (Anstieg von 14,6 beziehungsweise 12,7 Prozentpunkten).

Regionale Unterschiede gibt es den Angaben allerdings nach beim Einsatz von qualifiziertem Personal. So lag 2023 der Anteil an Kommunen mit einer bedarfsgerechten Versorgung an Gesundheitsfachkräften in Westdeutschland um über 26 Prozentpunkte höher als in Ostdeutschland.

„An einem sehr zentralen Punkt haben die Frühen Hilfen damit gezeigt, dass sie das Präventionsdilemma, wonach präventive Maßnahmen seltener von Familien mit psychosozialen Belastungen und geringeren Ressourcen in Anspruch genommen werden, mildern können. Bei einem weiteren Ausbau könnten sicherlich noch mehr Familien von den Angeboten der Frühen Hilfen profitieren - der Bedarf dafür ist vorhanden“, heißt es in der Erhebung.

„Teilhabechancen wurden verbessert“

Lisa Paus, Bundesfamilienministerin (Grüne), sagte: „In Deutschland ist jede dritte Familie von drei oder mehr Belastungsfaktoren betroffen. Das gefährdet das gesunde Aufwachsen von Kindern. Wie das Monitoring zeigt, bieten die Frühen Hilfen passende Unterstützungsangebote für diese Familien. Die bundesweite Förderung ist ein wichtiger Beitrag, um die Teilhabechancen dieser Familien zu verbessern und gleichwertige Lebensverhältnisse zu erreichen.“

Die zu einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses des Bundestages am 11. November geladenen Sachverständigen unterstützten die Forderung des Bundesrates, die Mittel des Fonds „Frühe Hilfen“ dauerhaft zu erhöhen sowie regelmäßig und bedarfsgerecht anzupassen. Mit dem System „Frühe Hilfen“ seien bundesweit leistungsfähige Strukturen für den präventiven Kinderschutz entwickelt worden, sagte der Thüringer Bildungsminister Helmut Holter (Die Linke) bei der Vorstellung der Länderinitiative.

Zuschüsse seit zehn Jahren nicht erhöht

Seit dem Jahr 2014 gebe es pro Jahr 51 Millionen Euro vom Bund „für diese gute Arbeit“. Dem seit zehn Jahren gleich gebliebenen Zuschuss stünden aber immense Kostensteigerungen gegenüber. Daher seien die 51 Millionen Euro nicht mehr ausreichend, um die derzeitigen Angebote in ihrer bestehenden Qualität aufrechtzuerhalten und sich den wachsenden Herausforderungen in dem Bereich zu stellen, sagte der Ländervertreter.

Jörg Backes und Mechthild Paul vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung betonten, diese „Erfolgsstory“ gefährdet. Daher müssten die Mittel gemäß der vorhandenen Bedarfe auf der Grundlage von Evidenz angepasst werden.

Den Investitionscharakter der Frühen Hilfen betonte Till Nikolka vom Deutschen Jugendinstitut. Frühe Prävention sei auch ökonomisch rational. Er sprach davon, dass einem Euro an Frühen Hilfen 96 Euro an jährlichen Traumafolgekosten in Folge von Kindeswohlgefährdung gegenüberstünden. „Frühe Prävention rentiert sich für die Betroffenen, für ihr soziales Umfeld, für die Gesellschaft und schließlich auch für den Staat“, sagte er.

Dirk Baas