Fehlgeburten sind oftmals traumatische Erfahrungen. Betroffene Frauen sollen laut SPD, Grünen, FDP und Union bald deutlich früher und länger Anspruch auf Mutterschutz haben. Das Gesetz dazu soll noch vor der Bundestagswahl beschlossen werden. Das Problem: Es gibt zwei Gesetzentwürfe.
Berlin (epd). Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Union und FDP haben sich auf einen gestaffelten Mutterschutz bei Fehlgeburten verständigt. Die Einigung sei aus der Mitte des Parlaments erzielt worden, teilten SPD und Grüne am 2. Januar mit. Es sei wichtig, dass hier endlich gehandelt werde, „denn jede dritte Frau erlebt eine Fehlgeburt und hat bislang kaum rechtlichen Schutz“, hieß es. Eine Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, die den Kompromiss für sich verbuchen möchte, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage: „SPD und Grüne haben zwar signalisiert, unserem Entwurf zustimmen zu wollen. Eine finale Rückmeldung gibt es dazu allerdings noch nicht.“
„Jede Fehlgeburt ist schmerzlich und gleichzeitig ist der Umgang jeder Frau damit ganz individuell. Frauen sollen sich frei und selbstbestimmt entscheiden können, ob sie den gestaffelten Mutterschutz nach einer Fehlgeburt in Anspruch nehmen wollen oder nicht“, sagten Sarah Lahrkamp, Mitglied im Familienausschuss und Kinderbeauftragte der SPD-Fraktion, und die Grüne Franziska Krumwiede-Steiner, Mitglied im Familienausschuss.
„Alle demokratischen Fraktionen eingebunden“
Und weiter: „Als Initiatorinnen haben wir einen Gesetzentwurf für Rot-Grün aus der Mitte des Parlaments vorgelegt und von Anfang an alle demokratischen Fraktionen in den Entstehungsprozess eingebunden. Dass die Union nun einen nahezu identischen Antrag eingebracht hat, ist ein gutes Zeichen. Es bestätigt unseren Ansatz und zeigt, dass wir selbst gegen Ende der Legislaturperiode noch Bewegung in dieses wichtige Thema bringen konnten.“
Konkret sieht der Gesetzentwurf von SPD und Grünen gestaffelte Schutzfristen bei einer Fehlgeburt ab der 15. Schwangerschaftswoche „post menstruationem“ vor. Das vorzeitige Ende einer Schwangerschaft zu diesem Zeitpunkt habe einen stärkeren Rückbildungsprozess zur Folge und könne für die betroffene Frau gesundheitliche Folgen haben, die sich langfristig auf ihre Teilhabe auswirken könnten, heißt es unter anderem zur Begründung.
Mutterschutzregelung gilt seit 2018
Noch gilt das Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium, das am 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist. Es führte seinerzeit einen besonderen Kündigungsschutz in Fällen der Fehlgeburt ein. Bislang haben Frauen, die vor der 24. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden und deren Ungeborene weniger als 500 Gramm wiegen, keinen Anspruch auf Regeneration.
Im rechtlichen Sinne ist eine Fehlgeburt keine Entbindung und löst in der Regel keine mutterschutzrechtlichen Folgen aus, insbesondere die Schutzfrist nach der Entbindung gilt nicht. Für Frauen, die eine Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche erleiden, gilt aber der besondere Kündigungsschutz.
Noch Fragen im Detail
Grundsätzlich gibt es die Einigung der vier Parteien auf eine Reform, doch noch sind Details zu klären. Etwa die Frage, ob der Schutz ab der 13. oder 15. Woche gelten soll. Die Union wirbt für eine Staffelung des Mutterschutzes: (sechs Wochen ab der 17. Schwangerschaftswoche (SSW), acht Wochen Mutterschutz ab 20. SSW. SPD und Grüne sehen dagegen eine Staffelung ab der 15. SSW vor.
Die Union plädiert für eine Gleichbehandlung von Frauen mit einer frühen und einer späten Totgeburt. SPD und Grüne sehen 18 Wochen bei einer frühen Totgeburt und 14 Wochen bei einer späten Totgeburt vor, etwa wenn die Frau ihr Kind in der 40. Schwangerschaftswoche verliert. Das lehnt die Union ab: „Es würde zu fragwürdigen Ergebnissen führen, wenn eine Frau, deren Kind in der 40. Schwangerschaftswoche tot geboren wurde, eine um vier Wochen kürzere Mutterschutzfrist hätte als eine Frau, deren Kind in der 25. Schwangerschaftswoche tot geboren wurde“, so die familienpolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Silvia Breher, gegenüber dem epd.
„Mit unserem Gesetzentwurf knüpfen wir, anders als der Gesetzentwurf von SPD und Grünen, der einen Mutterschutz erst ab der 15. Schwangerschaftswoche vorsieht, an das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot an, das nach einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche gilt“, so Breher. Eine Frau, die ihr Kind still geboren habe, soll sich insofern nicht mehr um eine Krankschreibung bemühen müssen: „Sie braucht einen Schutzraum, um diesen schweren Verlust verarbeiten zu können.“
Union: Entwurf ist beschlussreif
Breher sagte weiter, der Entwurf der Union könne in der nächsten und letzten Sitzungswoche vor der Bundestagswahl beschlossen werden. „Eine öffentliche Anhörung, die möglicherweise zu Verzögerungen im parlamentarischen Verfahren führen könnte, ist unseres Erachtens daher nicht mehr erforderlich. Sie wurde bislang auch weder beantragt noch beschlossen.“ Beide Anträge waren am 19. Dezember erstmals im Bundestag diskutiert worden.
Geplant, so ist zu hören, ist eine öffentliche Anhörung im Ausschuss am 27. Januar. Das Plenum des Bundestages könnte dann am 31. Januar abstimmen, aber auch das ist noch nicht beschlossen.
Der Bundesrat hatte sich im Juli 2024 in einer Entschließung dafür ausgesprochen, Mutterschutz auch bei Fehlgeburten zu gewähren. Die Bundesregierung solle für Betroffene von Fehlgeburten Schutzfristen im Sinne des Mutterschutzgesetzes einführen. Die Entschließung geht auf eine Initiative des Saarlands, Niedersachsens und Hamburgs zurück. Der Mutterschutz bei Fehlgeburten solle laut den Ländern „deutlich vor der 20. Schwangerschaftswoche beginnen und sich gestaffelt entsprechend der Schwangerschaftsdauer verlängern“.