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In Bayern existieren ein Dutzend Kulturtafeln, die Menschen mit wenig Geld Konzert- oder Theaterbesuche ermöglichen. Eine davon ist in Erlangen. Ein Besuch vor Ort.
Erlangen (epd). Viele Menschen kennen die Tafeln. Doch Hilfen, die ärmeren Menschen die Besuche von Kinos, Theatern und Konzerten ermöglichen, sind eher unbekannt. „Vor etwa zehn Jahren dachte man sich, dass es noch eine andere Art der Teilhabe gibt, die Kultur“, sagt Birgit Hodenius, Leiterin der KulturTafel in Erlangen. Die Einrichtung gehört zur Diakonie.
Das Konzept ist ganz einfach: Bürgerinnen und Bürger, die ein geringes Einkommen haben, können sich dort anmelden und angeben, welche Art von Veranstaltung sie interessiert. „Unsere Kolleginnen und Kollegen rufen die dann an, wenn es Karten gibt, und fragen, ob Interesse besteht.“ Wer Ja sagt, bekommt die Karten geschenkt, erläutert Hodenius weiter.
Initiativen in 33 Städten
60 Veranstalter, Kulturinstitutionen und Stiftungen in Erlangen unterstützen die KulturTafel. Das Kulturzentrum E-Werk spendet regelmäßig Freikarten, egal ob für eine Techno-Party, ein Rock-Konzert oder einen Kleinkunstabend. Auch das Markgrafentheater, der gemeinnützige Theater- und Konzertverein Erlangen, das Theater Fifty-Fifty und zahlreiche Chöre der Stadt stiften Tickets.
Um dem Menschenrecht auf kulturelle Teilhabe zu einer gerechten und umfassenden Umsetzung zu verhelfen, gründete sich im Oktober 2016 aus der bundesweiten „Arbeitsgemeinschaft Kulturelle Teilhabe in Deutschland“ (BAG) die „Bundesvereinigung Kulturelle Teilhabe“ (BVKT), die seit Juli 2017 auch als gemeinnütziger Verein eingetragen ist. Treibende Kraft hinter den Kulissen: Christine Krauskopf. Sie hat 2008 in Marburg die bundesweit erste Kulturloge aus der Taufe gehoben.
Nach Angaben der Bundesvereinigung gibt es heute bundesweit in 33 Städten oder Landkreisen Initiativen, die Kulturangebote für Menschen mit wenig Geld ermöglichen. Sie eint das Ziel, eine würdevolle, selbstverantwortliche kulturelle und damit soziale Teilhabe zu organisieren. So unterschiedlich wie ihre Namen - KulturTafel, Kulturloge, Kulturliste oder Kultur Mittendrin -, so unterschiedlich arbeiten die Unterstützer vor Ort. Viele sammeln Geld, auch über Vereinsbeiträge, und kaufen dann Tickets ein, die sie umsonst weitergeben. Ein anderer Ansatz ist die Vermittlung von gespendeten Tickets für Plätze, die vom Veranstalter nicht verkauft wurden.
Persönlicher Kontakt funktioniert am besten
Viktor Kollmannsberger, der im Erlanger E-Werk arbeitet, findet die KulturTafel wichtig: „Es hat einfach etwas mit Gerechtigkeit zu tun, denn jeder hat das Recht darauf, Kultur zu genießen, aber auch zu wissen, was es gibt und wo es stattfindet.“ Es gehöre zu den Leitlinien des E-Werks, „dass wir Kultur zugänglich machen wollen“. Das funktioniere nach seinen Erfahrungen nicht über geringere Eintrittspreise, sondern am besten über den persönlichen Kontakt zu den Menschen, den die KulturTafel herstelle, sagt Kollmannsberger.
Alleine im vergangenen Jahr hat das Team der KulturTafel Erlangen über 2.000 Freikarten aus den unterschiedlichsten Bereichen vermittelt. „Das waren mehr als doppelt so viele Tickets wie im Jahr davor“, berichtet Leiterin Hodenius.
Angebot soll bekannter werden
Sylvia Schaffelhofer ist eine der Ehrenamtlichen, die bei der KulturTafel mitarbeitet. Sie weiß schon, wenn sie ein Ticket für ein Punkrockkonzert hereinbekommt, welche Interessierte sie zuerst anruft, weil sie sich für diese Musikrichtung begeistern. „Es gibt andere, deren Herz hängt am Kabarett und man sucht für die nach Veranstaltungen.“ Auch Handballfans kann Schaffelhofer immer wieder eine Freude machen. Zu einigen Kulturgästen hat sie eine persönliche Verbindung aufgebaut. Mit Leuten, die schon seit Jahren bei der Kulturtafel dabei sind, tauscht sie sich gerne auch über das vergangene Konzerterlebnis oder ein spannendes Sportmatch aus.
Um das Angebot bekannter zu machen, wollen Birgit Hodenius und ihr ehrenamtliches Team einen Aufruf an Menschen richten, die zum Beispiel einen Erlangen-Pass haben oder Grundsicherung beziehen. Die wollen sie in Zukunft besser erreichen. „Sicher haben nicht alle Interesse an Kultur, aber über mehr Zulauf würden wir uns freuen“, sagt die KulturTafel-Leiterin. „Wir wünschen uns viele neue Kulturgäste.“ Die Neuen müssten nur ein einfaches Formular ausfüllen, damit auch sie an Tickets kommen.