Der Klimaschutz in sozialen Einrichtungen kommt nicht voran. Weil den gemeinnützigen Trägern das Geld für Dämmung, Fotovoltaik oder neue Heizungen fehlt. Sie sehen den Staat mit Finanzhilfen in der Pflicht. Doch es gibt Finanzierungsmodelle, die privates Kapital einbeziehen.
Frankfurt a.M. (epd). Die europäischen Ziele des Klimaschutzes stehen unverrückbar fest - und setzen auch die Sozialbranche unter Handlungsdruck: Bis 2050 müssten allein 108 Milliarden Euro in die energetische Sanierung von Pflege- und Behindertenheimen, Sozialstationen, Frauenhäusern und Kinderheimen fließen. Bundesweit geht es um über 100.000 veraltete Gebäude, die die sozialen Anbieter nutzen. Obendrauf kommen noch einmal 42 Milliarden Euro nur für die Krankenhäuser.
Die Branche würde handeln, doch ihr fehlt das Geld. Das zeigte im November eine Fachtagung auf Einladung der Evangelischen Bank. Verschiedene Lösungsansätze wurden diskutiert, doch das Problem ist komplex, und schnelle Lösungen sind nicht in Sicht. Tobias Gaydoul, Vorstand Finanzen bei der Rummelsberger Diakonie, benannte das Kernproblem: „Wir verfügen in der Sozialwirtschaft über keine ausreichenden Margen, um Investitionen zu finanzieren. Ohne eine grundlegende Reform der Refinanzierungsmechanismen bleibt unser Potenzial, nachhaltige und zukunftsorientierte Projekte voranzutreiben, ungenutzt.“
Strukturelles Problem
Das Problem ist struktureller Natur: Gemeinnützige Organisationen, die das Rückgrat sozialer Dienste in Deutschland sind, arbeiten nicht gewinnorientiert. „Sie dürfen und können nur begrenzt Überschüsse erwirtschaften. Eventuelle Rücklagen sind zweckgebunden im Sinne des Organisationsziels zu verwenden“, erläutert Simone Zimmermann, die kaufmännische Geschäftsführerin des Paritätischen Sachsen. Daher hätten gemeinnützige Akteure nur sehr begrenzte Möglichkeiten, Geld in energetische Sanierungen zu investieren.
Das bestätigt auch Peter Hettig, Geschäftsleiter Pflegeheime und Bau bei der diakonischen Stuttgarter Heimstiftung, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Träger nutzt nach seinen Angaben rund 140 Gebäude, davon müssten etwa zwei Drittel energetisch saniert werden: „All unsere Gebäude haben eine Energieberatung durchlaufen, erforderliche Maßnahmen der energetischen Sanierung wurden dabei festgehalten.“ Bei der Wärmedämmung sei man schon ganz gut aufgestellt, „aber bei der Mehrheit unserer Einrichtungen haben wir auf das Heizen mit Gas gesetzt. Hier steht eine umfangreiche Umrüstung an. Wir prüfen individuell die Optionen für Fernwärme, Geothermie oder Wärmepumpen.“
Der Fachmann beklagt, dass es für die energetische Sanierung kaum staatliche Zuschüsse gibt. Schon jetzt kämen aber bei jeder größeren Modernisierung auch Fotovoltaikanlagen auf die Dächer. Zu den Gesamtkosten kann Hettig keine Angaben machen: „Sie lassen sich nicht pauschal benennen.“ Aber betrachte man allein die Umrüstung der Heizungsanlage in einer Einrichtung, „dann sprechen wir hier bereits über mehrere Hunderttausend Euro, Ähnliches gilt für die nachträgliche Wärmedämmung“.
Staatliche Mittel gefordert
Was sich bereits getan hat in Sachen Klimaschutz, hat der Paritätische in einer Umfrage bei seinen Mitgliedern erkundet. Dabei wurde deutlich, dass die Träger einen hohen Handlungsdruck spüren, auch weil längst Hitzewellen, Stürme und Überflutungen betriebliche Abläufe störten und Klienten und Personal bedrohten.
Obwohl 71,6 Prozent der Einrichtungen bereits erste Maßnahmen zur Klimaanpassung ergriffen haben, geben nur 29 Prozent an, über Strategien oder Konzepte zur weiteren Anpassung an den Klimawandel zu verfügen. Demnach werden Modernisierungen häufig noch unsystematisch und nur punktuell umgesetzt. Um wirklich bei der Transformation voranzukommen, fordern 83,4 Prozent der Befragten staatliche Mittel, 61,3 Prozent technische Beratung und Planungshilfe und 52,3 Prozent personelle Ressourcen. 82,6 Prozent der Träger geben zudem an, nicht in die Erstellung kommunaler Klimaanpassungskonzepte eingebunden zu sein.
BAGFW hofft auf Förderprogramm des Bundes
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Freier Wohlfahrtspflege (BAGFW) fordert gesetzliche Reformen von der künftigen Bundesregierung. Der Personal- und Investitionsbedarf zur Umsetzung von Klimaanpassungsstrategien müsse in der Regelfinanzierung der Einrichtungen verankert werden. Die Klima-Allianz Deutschland, Arbeiterwohlfahrt, Caritas Deutschland, Diakonie Deutschland und der Paritätische Gesamtverband rufen die Bundesregierung ebenfalls zum Handeln auf. Sie müsse „die richtigen Rahmenbedingungen für Klimaschutz-Investitionen in der Freien Wohlfahrtspflege schaffen“. Und weiter heißt es: „Ambitionierter Klimaschutz in der Freien Wohlfahrtspflege ist nur mit einem passgenauen Investitionsprogramm möglich. Die aktuellen Förderprogramme für Klimaschutz gehen jedoch zumeist an den Bedarfen sozialer Einrichtungen vorbei.“
„Soziale Einrichtungen wie Pflegeheime, Kitas und Krankenhäuser sind bereit, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, doch ohne zusätzliche staatliche Investitionen wird das nicht gehen“, sagt Stefanie Langkamp, Politische Geschäftsleiterin der Klima-Allianz Deutschland. „Wir brauchen dringend ein bedarfsgerechtes Investitionsprogramm für soziale Einrichtungen, damit diese energetisch sanieren und auf erneuerbare Energien umsteigen können.“
Transformation als gesetzliches Ziel
Professor Christian Berg, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome, forderte vor den Tagungsteilnehmern: „Damit Nachhaltigkeit für Sozialunternehmen wirtschaftlich attraktiv wird, muss das gesamtgesellschaftliche Ziel der nachhaltigen Transformation im Sozialrecht verankert werden.“ Die aktuelle Praxis, in der die Installation von Fotovoltaikanlagen oder energetische Sanierungen allein nach kurzfristiger Wirtschaftlichkeit bewertet werden, sei nicht länger tragbar. „Wenn Kostenträger jeden Anreiz für nachhaltige Investitionen verhindern, indem dadurch die erstattungsfähigen Kosten sinken, ist das auch unter ökonomischen Gesichtspunkten unsinnig“, rügte Berg.
Der Sozialökonom Professor Bernd Halfar widerspricht der wiederholten Forderung, der Staat müsse großzügig Finanzhilfe zur Transformation der Sozialbranche leisten. „Das ist aber naiv. Das wird schon deutlich daran, wie viel Geld benötigt würde, um diese Sanierungen zu finanzieren. Das sind gigantische Summen“, sagt Halfar dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Der Staat ist nicht in der Lage, das zu finanzieren, schon gar nicht in Zeiten der wirtschaftlichen Schwäche. Es wäre gut, das zur Kenntnis zu nehmen und andere Finanzierungsmodelle ins Auge zu fassen“, so der Eichstätter Professor.
Seiner Ansicht nach lässt sich das Problem nur mit dem Einsatz von privatem Kapital lösen. „Ich denke da etwa an Investmentfonds für Infrastruktur. So ließe sich in kürzester Zeit jeder Milliardenbetrag generieren, der für energetische Sanierungen benötigt wird.“ Versorgungswerke, Family Offices mit gesellschaftlicher Orientierung, aber auch kirchliche Vermögensverwaltungen könnten investieren: „Das Kapital ist da, in Deutschland wie auch im Ausland.“
Halfar: Privates Kapital zur Transformation nutzen
Und wie sollte so eine Kooperation vor Ort aussehen? Halfar schlägt folgendes Modell als Beispiel vor: Dachflächen werden mittels privatem Kapital mit Fotovoltaikanlagen ausgestattet und mit Energiespeichern gekoppelt. „Für diese Investitionen bekommen die Geldgeber eine Rendite. Die bekommen sie jedoch nur dann, wenn der soziale Träger oder mehrere Träger gemeinsam als Energiegenossenschaft oder über eine Kommanditgesellschaft mit dem Investor zusammen eine Contracting-Firma gründen, also einen Energieversorger, der den selbsterzeugten Strom an den oder die Sozialträger verkauft.“ Und zwar zu dem Preis, den der Kostenträger im laufenden Betrieb erstattet. Das müsse sein, „denn die soziale Einrichtung braucht zusammen mit dem Investor eine Kick-back-Lösung, also eine Rückvergütung. Und die liegt in der Differenz zwischen dem Strompreis, den der Kostenträger übernimmt, und dem, der tatsächlich anfällt.“
Der Professor betont, dieses Modell funktioniere auch jenseits der Stromerzeugung: „Denkbar ist es bei der Heizungsumstellung. Eine Wärmepumpe könnte auch einem Investor gehören. Das Gleiche gilt für Energiespeicher.“ Die würden generell in der Zukunft unverzichtbar, so Halfar: „Große Speicher sollten für einen mittleren oder auch größeren Träger unbedingt eine Überlegung wert sein. Im Prinzip wird das Sozialunternehmen dann Energieversorger. Von der geschäftlichen Denke her wäre das die richtige Konsequenz, auch, weil die Renditen sicher sind.“