In der Debatte um das traditionelle Klaasohm-Fest auf der Nordseeinsel Borkum pocht Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) auf den Schutz von Frauen. „Brauchtum und Tradition können und dürfen niemals Rechtfertigung für Gewalt an Frauen sein“, sagte sie am Montag in Hannover. Die Polizei werde am Donnerstag zum Schutz von Frauen deutlich stärker als in den Vorjahren auf der Insel präsent sein. Zu dem Brauch gehört es, dass Frauen mit einem Kuhhorn auf das Gesäß geschlagen werden. Auch die Grünen betonten, das Brauchtum müsse ohne die Ausübung von Gewalt gegen Frauen fortgeführt werden.
Beim Klaasohm-Fest verkleiden sich in der Nacht zum Nikolaustag sechs junge Männer von der Insel mit einer großen Maske mit Fell und Federn als „Klaasohm“, auf Hochdeutsch etwa „Onkel Nikolaus“, und dazu einer als mythisches „Wievke“. Zusammen mit ihrem Gefolge ziehen sie lautstark über die Insel. Jungen Frauen wurde in der Vergangenheit dabei auf das Gesäß geschlagen, offenbar auch gegen ihren Willen. Mütter mit Kindern auf dem Arm bekommen Lebkuchen geschenkt. Außerdem werden kranke und alte Menschen besucht.
Behrens sagte, die Berichte über das Fest zeigten, dass längst nicht alle betroffenen Frauen mit diesem gewalttätigen Brauch einverstanden seien und es ihnen dennoch nicht leicht falle, dies auch so zu artikulieren. Es sei „folgerichtig und überfällig“, dass die Veranstalter angekündigt hätten, diesen Teil des Festes endgültig abzuschaffen. Die Polizei werde am Donnerstag dafür sorgen, „dass alle Besucherinnen und Besucher des Klaasohm-Festes ohne Angst vor gewalttätigen Übergriffen feiern können“. Nach dem Bekanntwerden der Kritik an dem Brauch hatten auf der Insel rund 200 Frauen für den Erhalt des umstrittenen Festes demonstriert.
Der ausrichtende Verein der „Borkumer Jungens“ wies in einer Stellungnahme auf die fast 200-jährige Tradition des Festes hin. Es sei in erster Linie ein Symbol des Zusammenhalts und ein Fest der Gemeinschaft der Insulanerinnen und Insulaner, betonte sie. Es sei jedoch wichtig anzuerkennen, dass in der Vergangenheit Frauen als Teil des Brauchtums mit einem Kuhhorn geschlagen worden seien.
„Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeder Form der Gewalt gegen Frauen und entschuldigen uns für die historisch gewachsenen Handlungen vergangener Jahre“, heißt es in der Stellungnahme. Die Borkumer Jungens seien sich ihrer Verantwortung bewusst und würden dies künftig konsequent verbieten. „Der Verein wird den Brauch des Schlagens vollständig abschaffen. Wir als Gemeinschaft haben uns klar dazu entschieden, diesen Aspekt der Tradition hinter uns zu lassen.“
Historisch sei das Fest mit Bräuchen aus den Zeiten des Walfangs verbunden. Wie viele andere Brauchtümer mit den Eigenarten der eigenen alten Traditionen könnten diese im heutigen Zeitgeist und der Sicht Außenstehender kontrovers wirken, räumte der Verein ein. Anders als viele andere Brauchtumsfeste habe der Klaasohm keinen touristischen Anspruch. Es diene vielmehr dazu, den Abschluss einer langen und anstrengenden Saison zu feiern.
Die Grünen-Abgeordnete Meta Janssen-Kucz begrüßte die Erklärung der „Borkumer Jungens“: „Dieses klare Nein zu Gewalt gegen Frauen war überfällig“, sagte die bisherige Landtagsvizepräsidentin, die selbst auf Borkum lebt. Traditionen und Bräuche trügen zu einem positiven Gemeinschaftsgefühl bei, unterlägen aber auch dem Wandel der Zeit. Wo sie Teil von Bräuchen sei, müssten die Menschen dagegen vorgehen: „Die Tradition des Klaasohms wird fortbestehen - gerade dann, wenn künftig keine Gewalt mehr angewandt wird.“ Janssen-Kucz hatte angekündigt, zum Dezember aus persönlichen Gründen ihr Landtagsmandat zurückzugeben.