Biblische Illustrationen von Marc Chagall in Saarbrücken
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Moderne Galerie zeigt Illustrationen von Marc Chagall in Saarbrücken
Moderne Galerie zeigt Chagall-Illustrationen aus eigener Sammlung
Saarbrücken (epd).

Die Moderne Galerie des Saarlandmuseums lädt ab Samstag zu einer Ausstellung mit biblischen Illustrationen des Künstlers Marc Chagall (1887-1985) nach Saarbrücken ein. „Wir haben uns jetzt das Thema ausgesucht, das Chagall selber als die Krönung, den Höhepunkt seines eigenen grafischen Werkes betrachtet hat“, erklärte die stellvertretende Museumsleiterin Kathrin Elvers-Svamberk am Donnerstag. Als eine der großen Leitgestalten der klassischen Moderne habe Chagall sein Künstlertum in Berufung auf seine jüdischen Wurzeln und seine Vertrautheit mit jüdischem Brauchtum gelebt. Rund 120 Grafiken sind in der Schau „Marc Chagall. Die heilige Schrift“ bis zum 25. April 2025 zu sehen.

Den Auftakt der Ausstellung bildet ein Intro-Kabinett, welches eine Reihe von Selbstporträts zeigt und eine biografische Hinführung zu Chagall ermöglicht. Danach folgen schwarz-weiße Radierungen zum Alten Testament, mit denen Chagall 1930 für den Pariser Verleger Ambroise Vollard begann. Diese konnte er den Ausstellungsmachern zufolge jedoch erst 1956 beenden - Gründe waren unter anderem der Tod Vollards und der Zweite Weltkrieg.

Die kuratorische Assistenz des Kunst- und kulturwissenschaftlichen Vorstands der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, Louise Raschwitz, erläuterte, dass Chagall die Reihe nicht mit der Schöpfungsgeschichte der Erde, sondern mit dem Menschen begonnen habe. Dabei gehe er auch frei mit Bildtraditionen um. Ein Engel trage beispielsweise Hosen. Der Mensch habe wiederum männliche Genitalien und weibliche Formen. Das gehe möglicherweise auf Kommentierungen der Tora zurück, nach denen der Mensch zu Beginn androgyn gewesen sei, betonte sie. Die Präsenz oder der Zuspruch Gottes werde wiederum immer durch Licht dargestellt.

Zu sehen sind auch Auszüge farbiger Lithografiefolgen, die jeweils als Doppelausgabe der Kunst- und Literaturzeitschrift „Verve“ Ende der 1950er Jahre erschienen. In der zweiten sogenannten Verve-Bibel habe Chagall auch neue Themen wie das Paradies aufgegriffen und generell einen Fokus auf Frauenfiguren gelegt, erläuterte Raschwitz. Den Abschluss der Schau bilden Illustrationen zum Exodus des Volks Israels aus Ägypten, die 1966 veröffentlicht wurden. Dafür habe der Künstler frühere Radierungen noch einmal aufgegriffen, Szenen ergänzt oder abgewandelt, aber auch komplett neue Farblitografien erstellt, erklärte sie. In der Ausstellung hängen die früheren Radierungen über den neuen Litografien, um sie so miteinander vergleichen zu können.

Die Ausstellung ist ausschließlich mit Beständen aus der eigenen Sammlung und in Kooperation mit der Synagogengemeinde Saar entstanden. Letztere konnte beispielsweise auch dabei unterstützen, Bedeutungen zu entschlüsseln. Dass auf einer Darstellung der Übergabe der Zehn Gebote an Mose zwei gelbe Streifen zu sehen sind, hängt laut Kantor Benjamin mit der Überlieferung der Gesetze an sich zusammen. So habe Mose nicht nur die schriftlichen Tafeln erhalten, sondern auch mündliche Gesetze bekommen, die mit der weiteren Entwicklung des Menschen angepasst werden müssten.

Diese goldenen Strahlen begleiten Mose auf all seinen Darstellungen - auch vor dem Erhalt der Gesetzestafeln. Chagall nutzt laut Raschwitz diese anachronistische Darstellungsweise, um Figuren kenntlich zu machen und zu charakterisieren. Kantor Chait betonte, dass der Künstler kleine Geheimnisse in seine Illustrationen eingebaut habe. Manchmal schreibe Chagall Hebräisch verkehrt oder ein Davidstern mit dem Namen Gottes komme vor.

In Kooperation mit der Synagogengemeinde Saar gehören zum Rahmenprogramm der Ausstellung zwei Vorträge zu den Themen „Das Licht im Judentum“ und „Die Rolle der Frau im Judentum“ in der Modernen Galerie. Die Synagogengemeinde lädt aber auch zum „Schabbat mit Chagall. Gottesdienst mit Abendessen“ ein. Zu den weiteren Angeboten zählt ein Konzert der Hochschule für Musik Saar, für das Studierende mit Kindern Musik zu einzelnen Werken entwickeln.

Von Marc Patzwald