Der Anteil von ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern in Kitas geht laut Bertelsmann Stiftung bundesweit zurück. Weil in vielen Einrichtungen Personal fehlt, werden zunehmend Menschen ohne die formalen pädagogischen Voraussetzungen eingestellt. Verbände und Gewerkschaften fordern mehr Fortbildungen.
Gütersloh, Berlin (epd). Fachverbände und Gewerkschaften wollen es nicht hinnehmen, dass in Kitas bundesweit der Anteil von Mitarbeitenden mit einer Qualifikation als Erzieherin und Erzieher zurückgeht. Diesen Trend belegt eine neue Untersuchung, die die Bertelsmann Stiftung am 4. Dezember vorgelegt hat.
Im Jahr 2023 hatten demnach lediglich in jedem dritten Kita-Team (32 Prozent) mehr als acht von zehn pädagogisch Tätigen einen entsprechenden Fachschulabschluss, wie aus dem „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ hervorgeht. Im Jahr 2017 war das noch bei 41 Prozent aller Kita-Teams der Fall. Die Gewerkschaft ver.di nannte die Zahlen alarmierend, der Deutsche Städtetag mahnte mehr Qualifizierung für Quereinsteiger an.
13 Bundesländern verzeichnen Rückgang
Dieser Rückgang sei in 13 Bundesländern zu verzeichnen, erklärte die Stiftung. Am deutlichsten falle das Absinken der Fachkraftquote in Berlin (18 Prozentpunkte), Mecklenburg-Vorpommern (15 Prozentpunkte) und Nordrhein-Westfalen (14 Prozentpunkte) aus. Zwischen den Bundesländern gebe es jedoch große Unterschiede. Die Herausforderungen für die westdeutschen Länder seien deutlich größer. So wiesen im Osten zwischen 35 Prozent (Berlin) und 89 Prozent (Thüringen) der Kita-Teams eine hohe Fachkraftquote von 82,5 Prozent und mehr auf. Im Westen reiche die Spannweite von 3 Prozent in Bayern bis 36 Prozent in Hessen.
Der Deutsche Kitaverband appellierte an Bund und Länder, die in der Studie aufgezeigten Defizite nicht länger zu ignorieren und gemeinsam für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen. Verbandschefin Waltraud Weegmann: „In Zeiten des Fachkräftemangels ist die Qualität, bei möglichst weitgehender Sicherung der Betreuungszeiten, in der frühkindlichen Bildung nur zu sichern, wenn wir verstärkt in die Qualifizierung und Weiterbildung unserer Mitarbeitenden investieren.“ Gebraucht werde ein umfassendes Konzept, das die Qualifizierung der Teams ins Auge fasse, Quereinsteiger und Nicht-Fachkräfte gezielt in Richtung Fachkraft fördere, Ausbildungskapazitäten ausbaue und die Arbeitsbedingungen für multiprofessionelle Kita-Teams vor Ort verbessere.
„Die frühen Bildungsjahre sind entscheidend für die Entwicklung eines Kindes“, betonte die Expertin. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, „brauchen wir gute Mitarbeitenden, die die Kinder individuell fördern können. Gleichzeitig geht es auch darum, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu sichern und damit insbesondere Frauen vor Altersarmut zu schützen“.
Ver.di sieht „enorme Belastungen“ der Fachkräfte
Die Gewerkschaft ver.di erklärte, sie habe bereits seit Jahren bei Bund und Ländern bessere Rahmenbedingungen in den Kitas und den Ausbau der Ausbildung der dafür notwendigen Lehrkräfte angemahnt. „Die Belastung der Fachkräfte in den Kitas ist enorm. Immer mehr Erzieherinnen und Erzieher arbeiten in Teilzeit oder verlassen das Berufsfeld. Das gefährdet die Qualität der Betreuung. Es ist offensichtlich: Wir brauchen nicht nur mehr Fachkräfte, auch die Arbeitsbedingungen müssen massiv verbessert werden, um den gesellschaftlichen Anforderungen an die frühkindliche Bildung gerecht zu werden“, sagte Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied Jugendhilfe und Sozialarbeit.
Die Daten zeigten einen dramatischen Rückgang der Fachkraftquote in den Kitas: Nur noch jedes dritte Kita-Team könne überwiegend auf Fachkräfte mit einschlägiger Qualifikation zurückgreifen, im Vergleich zu mehr als 40 Prozent im Jahr 2017. „Dies ist eine erhebliche Bedrohung der Qualität der frühkindlichen Bildung“, betonte Siebernik. In dieser Situation Debatten zu befeuern, die das Ziel haben, auf dem Rücken der Fachkräfte eine De-Professionalisierung in Gang zu setzen, sei keine Lösung", unterstrich Siebernik.
Fehlende Qualifikationen rasch nachholen
Grundsätzlich sei es gut, wenn die Kitas neue und vor allem motivierte Mitarbeitende gewinnen würden, erklärte die Expertin der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung, Anette Stein. Für die anspruchsvolle Arbeit mit den Kindern benötigten sie jedoch eine ausreichende pädagogische Qualifikation. In einer Notsituation könne es vertretbar sein, die Anforderungen vorübergehend zu senken, um die Schließung einer Kita abzuwenden. Das dürfe jedoch nicht zu einem dauerhaften Absenken der Fachkraft-Quote führen.
Die Überlastung des Kita-Personals liege auf einem hohen Niveau, wie aus einer Studie der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Bertelsmann Stiftung vom Juni hervorgehe: Fast die Hälfte der befragten Kita-Mitarbeitenden gebe an, sich täglich oder fast täglich im beruflichen Alltag überlastet zu fühlen. Viele Beschäftigte schätzten die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Berufsfeld kurz- bis mittelfristig verlassen werden, als sehr hoch ein.
Die Kindertagesbetreuung bedarfsgerecht auszubauen, habe für die Städte weiter hohe Priorität, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, in Berlin. Angesichts eines Fachkräftemangels müssten neben einer Ausbildung von immer mehr Fachkräften Quereinsteiger stärker als bisher qualifiziert werden. Dies müsse gemeinsam von Bund und den Ländern finanziert werden.
Für das „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ wurden nach Angaben der Stiftung Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik von 2023 sowie weitere amtliche Statistiken ausgewertet.