Wie können Pflegefachkräfte auf ethisch vertretbare Weise aus Drittstaaten angeworben werden? Um eine faire Personalakquise sicherzustellen, hat das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) ein spezielles Gütezeichen entwickelt. Ann-Christin Wedeking, die Leiterin der Geschäftsstelle der „Gütegemeinschaft Anwerbung und Vermittlung von Pflegekräften aus dem Ausland“, erläutert im Gastbeitrag für epd sozial, wie das Siegel erlangt wird und was es bewirkt.
In der Gesundheits- und Pflegebranche werden bereits seit den 1960er Jahren Pflegefachkräfte angeworben. Seit den späten 2000er Jahren wird der Fokus dabei zunehmend auf eine ethisch vertretbare und faire Anwerbung gelegt. Internationale Organisationen wie die International Labour Organization (ILO) und die World Health Organization (WHO) haben bereits mit verschiedenen Konventionen, Code of Conducts, Leitlinien und der Initiative „Fair Recruitment“ wichtige Beiträge zu dem Diskurs geleistet.
In Deutschland wurde der Grundstein für das Gütezeichen „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ (folgend: Gütezeichen) in der Konzertierten Aktion Pflege, einem Zusammenschluss aus den Bundesministerien für Gesundheit, Arbeit und Soziales sowie für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gelegt. Die Entwicklung und Einführung eines Gütezeichens zur Regulierung der privatwirtschaftlich organisierten Personalvermittlung von Pflegefachpersonen ist eine von vielen Maßnahmen, um die Attraktivität des Pflegeberufs weiter zu steigern, Personal zu gewinnen und die Arbeitsbedingungen hierzulande zu verbessern.
Gütesiegel des Bundesgesundheitsministeriums
Das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) wurde vom Bundesgesundheitsministerium mit der Entwicklung des Gütezeichens beauftragt und hat dafür das Deutsche Kompetenzzentrum für internationale Fachkräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen eingerichtet. Die operative Umsetzung der Gütesicherung erfolgt in Selbstverwaltung durch die „Gütegemeinschaft Anwerbung und Vermittlung von Pflegekräften aus dem Ausland e. V.“ Sie erteilt das staatliche Gütesiegel des Bundesgesundheitsministeriums als RAL-Gütezeichen. RAL ist die Dachorganisation aller Gütegemeinschaften, sie soll das Gütezeichensystem und den Begriff Gütezeichen gegen Missbrauch schützen.
Unter Einbindung verschiedener Stakeholder wurde ein Anforderungskatalog mit sechs leitenden Prinzipien (Schriftlichkeit für die Überprüfbarkeit, Unentgeltlichkeit des Vermittlungsprozesses für Pflegefachpersonen, Angemessenheit des wirtschaftlichen Risikos, Transparenz zu Strukturen, Leistungen und Kosten, Nachhaltigkeit und Partizipation, Gesamtverantwortung) und operationalisierten Indikatoren entwickelt. Sie leiten sich ab aus dem internationalen Diskurs und den internationalen Standards zu fairen Rekrutierungspraktiken sowie den Erfahrungen von Personalserviceagenturen, vermittelten Pflegefachpersonen und Arbeitgebenden im Gesundheitswesen.
Das Gütezeichen soll den Arbeitgebern Orientierung bei der Auswahl einer geeigneten Agentur geben, gleichzeitig die Pflegefachpersonen vor Überschuldung schützen und ihnen einen fairen Anwerbeprozess auf Grundlage selbstbestimmter Entscheidungen ermöglichen. Die Personalserviceagenturen und selbstanwerbenden Einrichtungen können mit dem Gütezeichen nach innen und außen darstellen, dass sie sich den ethisch vertretbaren und fairen Anwerbekriterien verpflichtet haben und ihre Prozesse entsprechend daran orientieren.
Keine Kosten für angeworbene Fachkräfte
Um die Einhaltung der Kriterien zu überprüfen, wird eine unabhängige Prüfung auf Grundlage des Anforderungskataloges vorgenommen. Dafür stellt der Antragsteller Nachweise zur Einhaltung der Kriterien zur Verfügung, die dann einer Plausibilitätsprüfung unterzogen werden. Das sind nicht nur AGB, eine Grundsatzerklärung, Unterlagen zum Risikomanagement und der Zugang zu Beschwerdemöglichkeiten, sondern auch Vermittlungsverträge mit den Kandidaten und Kooperationsverträge mit Auftraggebern und eventuell Unterauftragnehmern.
Konkret geregelt sein muss in diesen Dokumenten zum Beispiel die konsequente Einhaltung des Employer-Pays-Prinzips, also dass der Pflegefachperson keine Kosten für die Vermittlung entstehen - auch nicht für zugehörige Kosten, wie zum Beispiel den Sprachkurs. Die Verträge sind schriftlich und in adressatengerechter Weise zu verfassen, das heißt, dass der Vertrag nicht nur in Deutsch, sondern auch in übersetzter Form in der Sprache des jeweiligen Herkunftslandes vorgelegt wird.
Auch soll den Pflegefachpersonen vor der Vertragsunterzeichnung die Informationsbroschüre zur Erwerbsmigration in die Pflege nach Deutschland gegeben werden. Die interessierte Pflegefachperson hat so die Möglichkeit, sich neutral zu bestimmten Themen, die mit der Entscheidung: „Möchte ich als Pflegefachperson nach Deutschland gehen und was bedeutet das konkret?“ zu informieren. Diese Informationsbroschüre stellt das KDA kostenlos und übersetzt in elf Sprachen zur Verfügung.
Deutschland als attraktives Ziel
Wenn die Dokumente geprüft wurden, findet ein Prüfgespräch statt - meist per Videokonferenz. In diesem Gespräch wird eine zufällige Stichprobe von der Prüfperson gezogen, anhand derer die Einhaltung der Kriterien an konkreten Beispielen geprüft wird. Vermittelte oder sich im Vermittlungsprozess befindliche Pflegefachpersonen bekommen die Möglichkeit, durch eine schriftliche Befragung Stellung zum Prozess zu nehmen.
Seit der ersten Gütezeichen-Erteilung im Jahr 2022 haben mehr als 60 Personalserviceagenturen den Prüfprozess erfolgreich durchlaufen. Das Gütezeichen kann dabei helfen, den Standort Deutschland als attraktives Zielland für interessierte Pflegefachpersonen zu kennzeichnen. Weil immer mehr Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen in Ausschreibungen auf das Gütezeichen bei Personalvermittlungsagenturen bestehen, kann das erworbene Siegel auch als Wettbewerbsvorteil dienen.
Die Einhaltung der Kriterien wird im zweijährigen Zyklus von unabhängigen Prüfpersonen bei den Unternehmen geprüft. Die erste Runde der sogenannten erneuten Fremdüberwachung/ Rezertifizierung findet aktuell statt.