Von Landesbischof Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh, Karlsruhe
»Was wir tun können. Mit Menschenfreundlichkeit gegen Rassismus« Tagung mit Workshops für Haupt- und Ehrenamtliche in der Migrations- und Flüchtlingsarbeit. Freiburg, Caritas-Tagungszentrum, 1.-2. Juni 2017
Herzlichen Dank für Ihre Einladung und vielen Dank für die freundliche Begrüßung! Ich freue mich sehr, dass so viele von Ihnen hier sind. Vor allem danke ich Ihnen für Ihr Engagement für die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen.
Das Thema der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wird uns in den nächsten Monaten und Jahren intensiv beschäftigen. Es ist das Feld, auf dem der Populismus leicht Punkte sammeln kann und wird, wir als Kirche und Diakonie aber die Grundüberzeugungen unseres Glaubens klar und deutlich vertreten müssen: »Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen!« Wir werden die öffentliche Auseinandersetzung deshalb sorgfältig beobachten, das Thema in unseren kommunalen und regionalen Zusammenhängen diskutieren und uns in unseren unterschiedlichen Verantwortungsbereichen gut begründet und klar positionieren.
Meine These lautet: Wir leben in und aus der Menschenfreundlichkeit Gottes, die uns dazu befähigt, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu widerstehen. Ich möchte sie in drei Schritten erläutern:
1. Ich beginne grundsätzlich theologisch. In vielen Gemeinden und Gremien diskutieren wir konkrete Fragen wie: Sollen wir mit der AfD reden? Wie verhindern wir, dass wir populistischen Positionen ein Forum bieten und sie damit hoffähig machen? Wie reagieren wir, wenn Mitglieder oder Funktionsträger der AfD für Ältestenkreise kandidieren? Der erste Teil ist ausführlich, denn ich versuche, den Blick theologisch und geistlich zu weiten und eine Grundperspektive zu entwickeln, auf deren Basis die konkreten Fragen angemessen zu beantworten sind.
2. Im zweiten Teil beschreibe ich die großen Herausforderungen des Populismus.
3. Der dritte Teil widmet sich der Frage: Wie gehen wir mit der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit um, die uns in diesen Auseinandersetzungen begegnet?
1. In der Menschfreundlichkeit Gottes leben – an der Bewegung Gottes teilhaben!
Ausgangspunkt für meine Überlegungen ist die Entdeckung des Glaubens: Wir haben an der Bewegung Gottes in die und in der Welt teil! Das ist für mich die Schlüsselkonstellation! Wir sind nicht hier und Gott ist da, sondern Gott wird Mensch und eröffnet uns ein neues Leben, in dem die ungerechten Verhältnisse in Bewegung geraten: die Mächtigen stürzt Gott vom Thron und erhöht die Niedrigen, Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig.
Am deutlichsten zeigt sich diese Bewegung an Weihnachten: Gott kommt in der Krippe zur Welt, im Stall, im Bergland Galiläas, mitten hinein in diese Welt. Diese Bewegung Gottes verändert das Leben der Menschen: »Er wird ein Knecht und ich ein Herr, das wird ein Wechsel sein!« (Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich, Vers 3) Die Bewegung ergreift uns und nimmt uns mit auf den Weg.
Wichtig ist mir daran: Nicht wir tragen die Bewegung des Glaubens, sondern wir haben an diesem Geschehen Anteil, das unsere Wirklichkeit auf vielfältige Weisen verändert. Wir lassen uns davon bewegen, vielleicht sogar mitreißen, wenn uns der Schwung und die Richtung einleuchten; aber wir sind auch zögerlich, wollen gerade als Protestantinnen und Protestanten erst einmal wissen, wohin das führen wird; und manchmal gehen wir wie der reiche Jüngling traurig unseres Weges, weil wir in eine andere Richtung wollen, und uns nicht vorstellen können, diesen neuen Weg mit Christus zu gehen.
Die biblischen Geschichten erzählen auf vielfältige Weise von dieser Bewegung Gottes in die und in der Welt; sie berichten wie Menschen sich in diese Bewegung verstricken, wie sie sie aufnehmen, befördern oder behindern. Vier Kennzeichen unserer Teilhabe an der Bewegung Gottes möchte ich hervorheben:
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Aus epd Dokumentation 3/2019 vom 15. Januar 2019